"Es mag leicht aussehen, es steckt aber viel Arbeit dahinter"

Udo van Stevendaal ist einer der erfolgreichsten Athlet*innen der deutschen Altersklassen-Nationalmannschaft der vergangenen Jahre. Wir haben mit ihm über immer wieder überraschende Erfolge, eine peinliche Situation vor seinem ersten Triathlon und den Kampf um die Hoheit über seine Beine gesprochen.

Udo van Stevendaal
Es ist ein gutes Zeichen, dass ich immer noch das Kribbeln vor einem Wettkampf spüre
Udo van Stevendaal

Udo, 2020 hast du coronabedingt gar keinen Wettkampf absolviert.

Ich habe die Wettkampfsaison schon im April abgehakt. Ich wollte aus zwei Gründen keinen internationalen Wettkampf absolvieren. Zum einen ging es mir um meine eigene Gesundheit. Zum anderen ging es mir um Chancengleichheit. Athleten aus Ländern wie Italien und Spanien konnten über Wochen aufgrund der Ausgangssperren nicht trainieren. Ein Messen mit ihnen hätte ich nicht als fair empfunden. Ich habe dann weiter trainiert und mich um meinen Strava-Thron gekümmert.

War das so eine Art Ersatz-Befriedigung?

Ich bin ein absoluter Wettkampftyp, ich brauche diesen Kick, dieses Kribbeln. Ich habe mir hier in der Umgebung sehr viele Laufsegmente gesichert. Es dürften so etwa 100 neue dazugekommen sein. 150 habe ich derzeit. Das hat Spaß gemacht, ist aber auch kein Ersatz für richtige Wettkämpfe.

Hast du dann dein Training nach diesen Segmenten ausgerichtet?

Ich habe vor dem Training geschaut, wo auf dieser Strecke Segmente liegen, die in Frage kommen. Dann bin ich locker dahingejoggt. Und je nachdem, ob ein Segment oder mehrere auf der Strecke lagen, war es ein Intervalltraining oder ein All-out-Lauf. Das war aus trainingstechnischer Sicht sicherlich nicht unbedingt sinnvoll (lacht).

Einen Pokal gibt es dafür nicht.

(lacht) Der würde sowieso anderen Athlet*innen zustehen, die noch mehr Segmente haben als ich. So viel bedeutet es mir auch nicht.

Bei deinen internationalen Starts für die deutsche Altersklassen-Nationalmannschaft hast du in den vergangenen Jahren immer Rang zwei oder eins belegt.

Das überrascht mich jedes Mal wieder. Ich fühle mich nicht als Ausnahmeathlet, koche auch nur mit Wasser. Der erste Titel in London 2013 kam für mich total überraschend. Eigentlich bin ich nur durch Zufall zu den internationalen Starts gekommen. Ein anderer Athlet hat mir davon erzählt. Und ein Jahr später war ich Weltmeister.

Auch heute stehe ich noch bei internationalen Meisterschaften am Start, schaue mir die Athleten neben mir an, denke, die sehen viel durchtrainierter aus als ich. Und am Ende werde ich dann – wie zum Beispiel in Weert 2019 – mit Abstand Europameister. Es mag vielleicht leicht aussehen, aber es steckt viel Arbeit dahinter.

Kommen die Titel also immer wieder überraschend für dich?

Ich habe da einen anderen Ansatz. Ich gehe nicht in den Wettkampf, um zu gewinnen. Ich gehe in den Wettkampf, um das bestmögliche Rennen abzuliefern. Das mag blöd klingen, wenn man so oft gewinnt. Aber es ist wirklich mein oberstes Ziel. Wenn ich ein gutes Rennen abliefere und gewinne, ist es dann umso schöner.

Bei der WM 2019 in Lausanne bin ich Zweiter geworden. Aber es war das schlechteste internationale Rennen, das ich bisher abgeliefert habe. Ich wollte beim Schwimmen zweimal aufgeben, wollte danach eigentlich aufhören. Altersklassen-Athleten wie Olaf Geserick, die gute Schwimmer sind, würden wohl sagen, ich habe mich gerade so über Wasser gehalten. Ich habe dann trotzdem weitergemacht und die Medaille eigentlich schon abgeschrieben (Udo war 29. nach dem Schwimmen, Anm. d. Red.). Ich war danach überhaupt nicht zufrieden. Das klingt natürlich blöd, wenn man gerade Vize-Weltmeister geworden ist.

Wie funktioniert das, sich nicht auf eine Platzierung, sondern nur auf sein Rennen zu konzentrieren?

Ich kann mich gut fokussieren. Das sagen auch andere Athlet*innen oft zu mir.

Was bedeuten dir diese Erfolge?

Es ist ein schönes Gefühl, oben zu stehen. Sobald es vorbei ist, habe ich den Wunsch, es wieder zu erleben.

Du bist Anfang 50, kannst also noch viele Jahre Triathlonrennen absolvieren. Willst du nun noch 20 Jahre weiterhin internationalen Erfolg an internationalen Erfolg reihen?

Es ist ein gutes Zeichen, dass ich immer noch das Kribbeln vor einem Wettkampf spüre. Wenn ich dies mal nicht mehr spüren sollte, der Wettkampf mir also gleichgültig ist, werde ich aufhören.

Es besteht also durchaus die Chance, dass wir in 20 Jahren ein Interview mit Udo, dem 20-fachen Welt- und Europameister führen?

(lacht) Wenn ich noch top fit bin, sehr gerne. Wenn ich auf Athleten wie Lothar Stall oder Frank Bachinger (beide haben viele internationale Erfolge für die AK-Nationalmannschaft geholt, Anm. d. Red.) blicke, dann sind das Vorbilder für mich. Wenn ich in 15 Jahren in ihrem Alter bin, würde ich den Sport gerne noch genauso gut ausüben, wie sie es jetzt tun.

Bei deinem ersten Triathlon 1995 kam es zu einer rückblickend lustigen Situation bei der Abholung der Startunterlagen.

Ich war ein absoluter Rookie. Die Dame fragte nur: „kurz oder lang?“ Nachdem sie meine Verlegenheit erkannte und mich als Rookie identifiziert hatte, klärte sie mich auf, dass sie nur wissen wolle, ob ich einen kurz- oder langärmeligen Neoprenanzug im Wettkampf tragen werde, um die Armbeschriftung dementsprechend vorzunehmen.

Nun ja, ich hatte keinen. Die Sportart hat mich trotzdem sofort in den Bann gezogen. 1997 hat mir meine Frau dann zum Geburtstag einen Neo geschenkt. Sie ist also schuld – und heute beschwert sie sich, dass ich so viel trainiere (lacht).

Und sie beschwert sich, dass du dir deine Beine rasierst, was sie als unmännlich empfindet.

Mittlerweile meckert sie schon gar nicht mehr darüber. Sie weiß, das Triathlon meine Leidenschaft ist.