Lothar Stall: "Das Kribbeln in der Magengegend habe ich bei jedem Wettkampf"
Mein erster Triathlon war ein Desaster
Lothar, für deine Triathlonanfänge müssen wir weit zurückblicken, denn deine Triathlonkarriere begann vor rund 35 Jahren.
Ich war damals in einem Schwimmverein. Wir saßen nach dem Training zusammen und haben uns über ein Triathlonrennen in der Nähe unterhalten, den Riesenbecker Triathlon, einen alten Klassiker, einer der ältesten Triathlonwettkämpfe in Deutschland.
Du hast dann gesagt, du machst da mal mit.
Ja, es wurde allerdings ein Desaster. Ich war zwar „first man out of the water“, wie man heutzutage sagt, aber beim Radfahren ist mir die Kette gerissen. Ich habe zwar ein Ersatzrad bekommen, das wurde damals noch nicht so eng gesehen, das Laufen war für mich als Schwimmer allerdings eine besondere Herausforderung. Trotz des nicht so guten Verlaufs fand ich das Format Triathlon irgendwie interessant. Ich dachte, das kann man besser machen.
Das ist dir gelungen.
Nach Jahren des Lernens, bin ich dann bei Deutschen Meisterschaften und auch international gestartet. In Finnland bin ich vor 26 Jahren das erste Mal Europameister über die Kurzdistanz geworden.
Dann hast du um die Jahrtausendwende eine Wettkampfpause eingelegt. Warum?
Da kamen ein paar Sachen zusammen, unter anderem die berufliche Belastung. Wenn man sich im Rennen die Sinnfrage stellt, wozu mache ich das hier, ist es höchste Zeit für eine Pause. Der Kopf war leer, ich habe die Reißleine gezogen.
Du hast dann vier Jahre trainiert, aber keine Wettkämpfe absolviert.
Dann wurde es mir im Training zu bummelig, ohne Ziele. Bei einer kleinen Triathlonveranstaltung habe ich den Wiedereinstieg probiert. Ich habe den Wettkampf genossen. Damit fiel die Entscheidung wieder zielgerichteter zu trainieren und zu schauen, was der Körper noch so leisten kann. Jetzt bin ich Rentner und habe auch die Zeit, um auf internationale Meisterschaften zu reisen, die sich wunderbar mit einem Urlaub verbinden lassen. Es macht mir sehr viel Spaß, mich mit den Konkurrenten zu messen. Es ist natürlich schön, wenn ich dann der Sieger bin. Ich kann auch verlieren und akzeptieren, dass andere besser sind. Wichtig ist mir, dass ich mit meiner Leistung zufrieden bin.
Bereust du die Entscheidung, einige Jahre wettkampfmäßig pausiert zu haben, rückblickend?
Nein, das ist eine Entscheidung, die ich so getroffen habe. Zurückzuschauen und zu sagen, hätte, hätte … Das bringt doch nichts. Ich würde die Entscheidung wieder so treffen.
2019, bei deinen ersten internationalen Starts nach vielen Jahren, warst du dreimal der Sieger, hast den EM-Titel über die Kurzdistanz und die WM-Titel über Sprint- und Kurzdistanz gewonnen. Haben dich die Erfolge überrascht?
Ich hatte in Weert schon das Ziel, vorne dabei zu sein. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich den Titel mit sechs Minuten Vorsprung gewinne. Die WM war absolutes Neuland für mich. Dass ich da zwei weitere Titel hole, wieder jeweils mit großem Vorsprung, hat mich noch einmal überrascht. So hatte ich das nicht erwartet.
Warum bist du dann wieder international gestartet?
Irgendwann hatte ich den Punkt erreicht, dass ich wieder die Herausforderung auf der internationalen Bühne gesucht habe. Ich wollte schauen, was ich noch erreichen kann.
War es dir auf der „nationalen Bühne“ zu langweilig geworden?
Ich wollte nicht mehr jedes Jahr nahezu die gleichen Wettkampfveranstaltungen buchen. Ich wollte Abwechslung. Die Anspannung vor dem Wettkampf – das Kribbeln in der Magengegend – habe ich bei jedem Wettkampf. Egal ob es ein familiärer, regionaler Triathlon ist oder eine internationale Meisterschaft. Die Anspannung bei einer EM oder WM ist schon noch ein wenig stärker. Es hat schon seinen besonderen Reiz, Triathleten aus verschiedenen Ländern zu treffen und sich mit ihnen im Wettkampf zu messen.
Magst du dieses Kribbeln vor Wettkämpfen?
Da bin ich zwiegespalten. Ich weiß, dass es da ist, und ich glaube, dass die Anspannung gut für meine Leistung ist. Aber es ist auch ein Unwohlgefühl, etwas, was ich auch gerne, wenn es zu stark wird, vermeiden würde. Allerdings mit dem Startschuss ist der Druck in der Magengegend weg, dann gilt die ganze Konzentration dem Wettkampf.
Du wirst dieses Jahr 67. Es klingt nicht so, als beschäftigst du dich mit dem Gedanken des Karriereendes.
Das ist so eine Sache (lacht). Mit dem Alter kommt eine neue Herausforderung hinzu: die kleinen Wehwehchen. Das Schwierige ist, im Training nicht zu überziehen. Der Kreislauf ist nicht das Problem. Aber die Belastung von Knochen, Muskeln und Sehnen. Es ist nicht einfach, ein vernünftiges Maß zu finden, um gut zu trainieren, nicht zu überziehen, sich keine Beschwerden einzufangen. Der Kopf will meistens mehr.