Mama macht Triathlon - mit Bente von Fräulein Triathlon
Bente aus dem Fräulein Triathlon-Powerteam schreibt über den Balanceakt Familie mit zwei Kindern, Beruf, sozialen Verpflichtungen und ihrem Weg an die Startlinie.
Kapitel 1: Planung. Es kann losgehen!
Mein Name ist Bente, 38 Jahre, Mutter von zwei Kindern, Teilzeit berufstätig und Mitglied im Fräulein Triathlon Power-Team. In diesem Jahr werde ich meine erste Mitteldistanz bestreiten und in regelmäßigen Abständen hier von meiner Vorbereitung im Familienchaos berichten.
Zum Triathlon kam ich durch meinen Mann, den ich 2019 zu einem seiner ersten Wettkämpfe nach Hamburg begleitete. Hielt ich ihn am Morgen vor dem Start noch für völlig verrückt, habe ich mich spätestens mit seinem Zieleinlauf mit Triathlon infiziert. Nur wenige Wochen später war ich für meinen ersten Schnuppertriathlon angemeldet und stolze Besitzerin eines gebrauchten Rennrads.
Während der Corona-Zeit fand ich online mit @fraeuleintriathlon eine tolle Community zum Austausch und absolvierte digital einige Wettkämpfe. Mittlerweile bringe ich als Power-Fräulein lokal und digital Frauen im Sport zusammen.
Nach einiger Überlegung im letzten Jahr habe ich im Winter den Beschluss gefasst: ich möchte eine Mitteldistanz absolvieren! Das muss doch irgendwie zu schaffen sein. Andere Mütter packen das schließlich auch – Vollzeit arbeitend und das Baby im Buggy! Nur ein paar Stunden Hobby, die ich in den Alltag einflechten muss.
Das klingt so einfach, wenn ich es schreibe. Die Logistik dahinter wird sich als herausfordernd erweisen, denn ich werde auf die Unterstützung von Familie und Freunden angewiesen sein. Um das Trainingspensum zu stemmen, dem Mann auch Zeit für seine Hobbies einzuräumen und die Kinder durch die jeweils erste Klasse der Grund – und weiterführenden Schule nebst allen Freizeitaktivoräten zu lotsen, braucht es schon beim Aufzählen Organisationstalent.
Am Esstisch, unserem Ort für Familienbesprechungen aller Art, beschließen mein Mann und ich also, dass es los gehen kann, mit Mamas Mitteldistanz. Die Kinder verstehen, dass sie den Sommer über viel Zeit mit Oma und Opa und die Wochenenden bei diversen Sportveranstaltungen verbringen werden. Immerhin steht regelmäßiges Baden an Meer und Seen an, diese Aussicht hebt die Stimmung ungemein.
Im nächsten Teil berichte ich über meine ersten Trainingswochen und bin selber gespannt, wie sich der Trainingsplan in den Alltag einbinden lässt.
Bis dahin, Bente (@sea.run.tri)
Kapitel 2: Trainingskoordination zwischen Alltag und Familienchaos
Der Trainingsplan steht, der Platz beim Ironman 70.3 in Erkner ist gebucht. Man könnte also sagen: jetzt wird es ernst.
„Wie viele Stunden kann ich denn pro Woche einplanen?“ fragt mich der Coach. „Theoretisch 10, praktisch 5.“ Ist meine Antwort nach einigem Überlegen. Zwar arbeite ich Teilzeit, der Anteil an Haushalt und Care-Arbeit hat aber deutlich mehr Umfang als die 2. Hälfte eines Halbtagsjobs. Die Kinder kommen zu unterschiedlichen Zeiten aus der Schule, haben verschiedene Bedürfnisse bei der Hausaufgabenbetreuung und eigene Hobbies (die oft mit Fahrdienst, dem klassischen “Mamataxi“, verbunden sind). Der Mann kommt nachmittags nach Hause, hat gelegentlich noch Abendtermine. Irgendwo dazwischen soll mein Training stattfinden.
Das Fahrradfahren auf der Rolle im heimischen Sportzimmer kann ich in den meisten Fällen realisieren. Zur Not spät abends, wenn die Kinder im Bett sind. Oder tagsüber, da geht auch schon mal der Fernseher parallel an, um die Kinder zu unterhalten. Beim Laufen sieht es anders aus: Allein oder mit ihrem großen Bruder Zuhause zu bleiben ist für die kleine Tochter noch keine Option. Der Mann ist morgens weit vor mir aus dem Haus, spät abends fehlt mir oft die Energie. So frage ich heute bei den Nachbarn an, ob die Tochter für eine Stunde zu Besuch kommen darf. Das Handy muss ich mitnehmen, „Falls etwas ist!“ bestimmt die Tochter. Also schnell umziehen, hoffentlich vorher ausreichend verpflegt, und los.
Das Schwimmen macht mir am meisten Sorgen. Zur Schwimmhalle und zurück muss ich eine Stunde Fahrzeit planen, dazu kommt die Netto-Schwimmzeit plus das Umziehen. Mit 2 Stunden komme ich nicht hin. Häufig stehe ich dann in einem vollen Bad zur Stoßzeit. Hier kann die Lösung eine Mitgliedschaft im örtlichen Schwimmverein sein: feste Bahnzeiten, Technik sowie die nötigen Meter werden ausgeglichen trainiert und man hat immer jemanden zum Austausch. Gemeinsam macht es doch gleich mehr Spaß. Der Mann kann mit der Zeit planen und seine Termine so koordinieren, dass die Kinder in der Zeit versorgt sind.
Vor lauter Begeisterung über diese Sportlichkeit hat der Schwiegervater eine Familienstaffel für die örtlich nächste Mitteldistanz gebucht – und mich für den Schwimmpart eingeplant.
Ich muss jetzt los, ab zum Schwimmen!
Ob die kommenden Feiertage und dadurch unregelmäßige Alltag mir noch einen Strich durch die Trainings-Rechnung machen? Davon berichte ich dann im nächsten Monat
Bis dahin, Bente (@sea.run.tri)
Kapitel 3: Kein schlechtes Gewissen haben!
Am Wochenende stand eine Laufveranstaltung auf dem Programm. Das Problem an der Sache? Ich hatte doch glatt in all dem Chaos und den Terminen vergessen, mich anzumelden! Dabei war mein Mann als Pacemaker engagiert, die Kinder bei Oma einquartiert und die Wochen Vorbereitung mit Augenmerk auf`s Laufen fast lückenlos absolviert. Zudem wollte ich dich eine neue persönliche Bestzeit aufstellen. Endlich wieder ein Paar-Erlebnis, etwas gemeinsam erleben! Und dann stand ich nicht auf der Startliste.
Ein einfacher Vorgang – eine Onlineanmeldung – sollte man doch eigentlich mal eben schnell hin bekommen, oder?
Doch manchmal kommt einfach immer etwas dazwischen. Das spuckende Kind am Geburtstagsfeiertag, der Elternsprechtag, stets ein „Mama, kannst du mal eben…?“. Ich bin dankbar, gebraucht zu werden und ein wichtiger Teil im Leben der Kinder und auch meines Mannes zu sein. Aber oft kommt eben viel auf einmal zusammen. Mütter fühlen, wovon ich spreche. Ich kann gar nicht zählen, wie häufig ich noch in Sportkleidung in der Küche stand, (schnell das Shirt gegen ein trockenes getauscht, so viel Zeit muss sein) um das Abendessen vorzubereiten. Wie oft ich mich gefragt habe, ob es egoistisch ist, mein Sportprogramm durchzuziehen, wenn es wieder nur Nudeln gab, weil das Essen so schön schnell geht. Kann der Sport nicht warten, wenn die Kinder größer sind? Wenn der Balanceakt zwischen Arbeit, Familie und Freizeit nicht mehr so groß ist?
Nein, es ist nicht egoistisch. Der Sport ist Teil meiner Persönlichkeit und gehört zu mir. Man kann sicherlich darüber diskutieren, wie viel Hobby in ein Leben mit Kindern passt.
Oft sehe ich Papas auf dem Weg zur Langdistanz – warum sollte den Müttern das nicht auch möglich sein? Ich habe aufgehört, ein schlechtes Gewissen zu haben, denn als Mutter, die ihrem Hobby nachgehen kann und daraus viel Positives zieht, kann ich in einigen Situationen viel entspannter und gezielter auf die Kinder eingehen.
An diesem Samstag, da steht noch nichts im Kalender. Und weil das eher selten ist, wird zusammen erst das Freiwasser angetestet, dann dürfen sich die Kinder den Tag wünschen, wie sie ihn gerne hätten. Mit Pommes, Tierpark und bestimmt noch einem Filmabend. Am Sonntag geht es dann mit gutem Gewissen in die lange Koppeleinheit, während die Kinder mit Papa Bilder von Affen und Kängurus malen.
Den Lauf, den konnte ich letzte Woche dann übrigens doch noch absolvieren. Auf die letzte Minute war eine Nachmeldung noch möglich, nachdem ich lange zittern musste, ob ein Transponder übrig bliebe. So wurde aus der Paarzeit ein kleines Abenteuer und eine lustige Erinnerung, als wir gemeinsam an die Startlinie gingen und von dort direkt weiter sprinteten.
Bis dahin, Bente (@sea.run.tri)
Kapitel 4: Triathlon - eine Sache des Blickwinkels
"Nicht schon wieder Triathlon!" mault der Große, als wir an einem Freitagnachmittag alle ins Auto steigen und eine Stunde bis an die Nordsee fahren. Hallig Dreeathlon heißt die Veranstaltung, das Format ist etwas anders als bei klassischen Triathlons (hier in Reihenfolge Rad, Lauf, Schwimmen, Lauf, Rad). DIe Umgebung ist aber landschaftlich ansprechend und das Event sehr familiär organisiert. Außerdem ist die Veranstaltung ein Treffpunkt für Athletinnen und Athleten, die wir aus Trainingsgruppen, Vereinen oder über soziale Medien kennen. Gemütliches Beisammensein nach dem Wettkampf bei Pommes und isotonischen Kaltgetränken gehört hier einfach dazu. Um sich auszutauschen und über Gemeinsamkeiten zu sprechen.
Letzteres fällt mir im Alltag dieses Jahr schwer. Balanciere ich zwischen Job, Kindern, Haushalt und Training, bleibt das Unterhalten am Zaun mit den Nachbarn, das Grillen und gemütliche Zusammensitzen mit Freunden und auch das spontane "kommt doch noch rum" kurz oder bleibt aus Zeitmangel ganz aus. Die Nachbarin sagte neulich zu ihrem Kind, welches sich im Auto nicht anschnallen wollte: "Sonst musst du hier bleiben und mit Bente laufen gehen". So nimmt mich das Nicht-Triathleten-Umfeld also wahr, dämmerte es mir in dem Moment.
Es schwankt zwischen Bewunderung und der Abneigung, die eine Person einer anderen gegenüber empfindet, weil sie ihr das Gefühl gibt, nicht gut genug zu sein. Dabei bin ich bei Weitem nicht auf dem Kurs zum Alterklassensieg. Quantität und Qualität werden allerdings häufig gleich gesetzt und so bekomme ich oft den Stempel der "Übersportlichen" aufgedrückt. Dazu kommt, dass ich wenig Alkohol trinke und versuche, auf ausreichend Schlaf zu achten. Man ahnt schon, worauf das hinaus läuft: meinen sozialen Kontakte sind in diesem Jahr eher ungepflegt und die gemeinsamen Themen dünner gesät, denn es dreht sich einfach viel um den Sport und die Organisation des ganzen Drumherum. Ich bin sehr dankbar für die viele Unterstützung, die mir trotzdem zuteil kommt, denn ohne den Zusammenhalt unter Müttern, Freunden und Familie würde das Projekt Mitteldistanz für mich nicht realisierbar sein. Wenn das Rennen vorbei ist, lade ich sie wohl alle mal ein und knüpfe wieder Verbindungen abseits vom Sport.
So haben wir es beim Dreeathlon auch mit den Kindern gemacht: wir haben sie auf eine Portion Pommes und eine Cola (das eigentliche Highlight!) eingeladen, zusammen mit einem Tablet für jeden in die Hand. So war das Warten auf Mama und Papa an der Ziellinie plötzlich nicht mehr ganz so doof und am Ende war der Abend "doch ganz cool".
Puh, Glück gehabt, denn keine zwe Wochen später steht die Familienstaffel bei einer Mitteldistanz auf dem Programm und der Tag kann bekanntlich lang werden. Ich werde berichten.
Bis dahin, Bente (@sea.run.tri)
Kapitel 5: Freiwasserangst? Nicht mich Bente!
Um 10:00 Uhr bläst ein Wikinger in ein Horn und Startgruppe, um Startgruppe hechtet ins Wasser. Im Mittelfeld der nervösen Aktiven dann irgendwann auch ich. Das Wasser war ruhig, heute früh, nun sprudelt es mit jeder Menge Triathletinnen und -athleten. Nach einem anfänglichem Schock (so viele Arme und Beine überall!) komme ich schnell in einen Rhythmus, kann das Schwimmen richtig genießen. Lächelnd steige ich nach 1900m aus dem Wasser und kann mit einer guten Zeit den Timing-Chip in der Staffel weiter reichen. Freiwasserangst? Für heute habe ich dich bezwungen!
Opa (mein Schwiegervater), mein Mann und ich hatten uns für eine Familienstaffel bei einer Mitteldistanz angemeldet, nur 30 Minuten Fahrzeit von Zuhause. Hier durfte ich heute Morgen schon einmal in ein Rennen dieser Länge reinschnuppern und den Schwimmpart übernehmen. Oma und die Kinder standen am Start und feuerten mich schon beim Einschwimmen an. Ich freue mich darauf, heute mit den Kindern zusammen Opa und Papa am Streckenrand zu unterstützen und trotzdem als Athletin mitzuwirken.
Bis mein Mann vom Radfahren zurück ist, gibt es für uns als Zusehende nicht viel zu tun, da es sich um eine Strecke mit Wendepunkt außerhalb des Veranstaltungsortes handelt. Also dürfen die Kinder sich auf der Hüpfburg austoben und an der Badestelle ins Wasser springen. Zum Glück ist das Wetter gut, eine Mitteldistanz kann ein langer Tag werden. Eine Limo und ein Eis am Streckenrand stärken die Moral der jüngeren Zuschauer zusätzlich.
Opa läuft zwei Mal an uns vorbei, die Kinder erkennen viele bekannte Gesichter wieder und feuern auch mal lautstark mit an. Nach etwas mehr als fünf Stunden laufen der Schwiegervater, mein Mann und ich gemeinsam ins Ziel. Ein schöner Moment, der jedoch sofort überboten wird, durch eine aufmerksame Helferin, die meine Tochter fragt, ob sie mir die Medaille umhängen möchte. Das Gefühl werde ich so schnell nicht vergessen! Ein schöner Moment, zu dem nicht zuletzt der Veranstalter mit einer familienfreundlichen Umgebung beigetragen hat. Sicher bleibt auch dem Kind das Ereignis in guter Erinnerung. Die Vorfreude auf meine volle Mitteldistanz im September steigt nun, solche Bilder im Hinterkopf motivieren - auch durch die verregneten lange Laufeinheit oder beißende Intervalle auf dem Rad.
Die Sommerferien haben gerade begonnen, bald geht es in den lang ersehnten Familienurlaub an die Nordsee. Dieser liegt genau in der „heißen Phase“ der Vorbereitung. Das Training muss, trotz eifriger Planung von Strandtagen und Ausflügen, auch im Urlaub irgendwie untergebracht werden. Das Rennrad wird eingepackt, eine Tasche mit Sportbekleidung soll ihren Weg mit ins Auto finden. Ich schiebe den Gedanken, wie das Zusammenspiel von Sport und Ferien aussehen soll, noch etwas vor mir her. Beim nächsten Mal kann ich berichten, ob es funktioniert hat.
Kapitel 6: "Trainingsurlaub" in Holland? Ein voller Erfolg!
Barcelona, Mallorca, Österreich - die Wunschziele der Familie für den Sommerurlaub waren für dieses Jahr breit gestreut. Mit Bedacht auf meine Sportpläne entschieden wir uns letztendlich für die niederländische Nordseeküste. Auswahlkriterium war unter anderem, dass wir die Fahrräder mitnehmen konnten. Besonders mir war das wichtig, so kurz vor der Mitteldistanz. Die letzten langen Trainingseinheiten standen an und ich wäre doch sehr unruhig gewesen, hätte ich diese nicht umsetzen können. Und die Niederlande haben einfach eine fantastische Radweg-Infrastruktur.
Am Urlaubsort angekommen, konnte ich den Sohn direkt für eine Erkundungstour mit dem Fahrrad auf dem Deich gewinnen. In den kommenden Tagen musste ich dann jedoch ohne Begleitung mein Lauftraining dort absolvieren - zu schön war das Wetter, zu gut war das Alternativprogramm, um das sich mein Mann bemühte, während ich unterwegs war. Zwischen einer und drei Stunden am Tag gab der Trainingsplan für mich vor. Ohne den Rückhalt der Familie hätte ich das so nicht umsetzen können!
Sicherlich wäre der Urlaub entspannender gewesen, hätte der Sport nicht jeden Morgen bei der Tagesplanung eine so große Rolle gespielt. Längere Ausflüge blieben aus, dafür unternahmen wir viele kurze Abenteuer in der Umgebung. "Der beste Urlaub, den wir je gemacht haben!" war es nach Angaben des jüngsten Kindes trotzdem, als wir uns auf den Heimweg machten. Die Kinder denken zurück an Strand und Eis, mein Mann und ich an die Umrundung des Grevelingenmeers mit dem Rennrad. Jeder für sich allein, das nennt man dann wohl "Me-time". Wir konnten uns im Nachhinein jedoch über die schöne Strecke austauschen.
Als ich feststellte, das es nur Selfies von mir beim Sport gibt, antwortete der Mann: vielleicht ist das der Kompromiss - viel Sport im Urlaub, dafür eben jeder für sich allein.
Ganz einfach war es nicht, alle Bedürfnisse unter einen Hut zu bekommen, gelohnt hat sich der Urlaub zusammen aber allemal. Und ich kann jetzt entspannt ins Tapering gehen - die Zeit vor dem Wettkampf, in der das Training zurück gefahren wird, um Energie zu tanken. Und die Kinder für den Schulbeginn nach den Ferien fit zu machen, Haufen von Wäsche zu waschen und sich damit anzufreunden, wieder zur Arbeit zu gehen. Wir würden alle gerne wieder zurück in den "Trainingslagerurlaub" in Holland. Das Konzept hat uns überzeugt!
Ob ich jetzt so langsam nervös werde? Ich kann nicht umhin: die Nerven zeigen sich so langsam. Noch wenige Wochen, dann stehe ich am Start und hoffe, dass sich das Training auszahlt. Beim nächsten Mal kann ich euch schon erzählen, wie es gelaufen ist. Über eure gedrückten Daumen freue ich mich!
Kapitel 7: Raceday! Der große Tag ist da!
Es ist Montagmorgen, der Email-Eingang springt mir entgegen: „Willkommen in der Raceweek“ und ich bemerke, dass eine dicke Erkältung im Anmarsch ist. „Innere Ruhe“ steht auf dem Teebeutel, den ich mir auf der Arbeit mit heißem Wasser aufgieße. Mal sehen, ob es hilft.
Am Dienstag hat die Chefin bereits so viel Mitleid mit mir und der laufenden Nase, dass sie mich vorzeitig nach Hause schickt.
Mir geht durch den Kopf, was ich in den vergangenen Wochen geleistet habe. „Du schaffst das, Mama“, sagt meine Tochter, nimmt mich trotz der laufenden Nase in den Arm.
Am Donnerstag, mit brummendem Kopf, setze ich mich in den Camper und fahre mit meinem Mann los in Richtung Berlin. Jetzt, wo mein Start bei dem Wettkampf am Sonntag so ungewiss ist, wird mir erst richtig bewusst, wie viel Kraft ich in den letzten Monaten aufgebracht habe für Training, Alltag und Arbeit. Irgendwie seltsam, warum mache ich das noch gleich? Wie viel Spaß ich doch auch an den kleineren Veranstaltungen im Umland hatte, wie oft die Kinder und Familie dabei sein konnten, gejubelt und im Ziel gewartet hatten. Das hätte man mit so viel weniger Trainings-, Material- und Nervenaufwand bewerkstelligen können. Ich bewundere jede Mutter, die ein Ziel im Triathlon angeht und denke an einige Profi-Triathletinnen, die kein Jahr nach der Geburt eines Kindes wieder fit an der Startlinie stehen. Was für eine körperliche, organisatorische und mentale Leistung! Ich nehme mir für das nächste Jahr vor, mich bescheidener auf die kürzeren Distanzen zu fokussieren und klopfe mir selber etwas auf die Schulter, dass ich das bis hierhin gepackt habe.
Jetzt bin ich auf dem Weg 500 Kilometer von zu Hause entfernt, um meine bisher größte Leistung abzurufen – oder auch nicht? Neun Monate Training liegen hinter mir. Zwei persönliche Bestzeiten bin ich dabei unter anderem gelaufen, eine davon gerade erst in der Vorwoche. Eigentlich bin ich so fit wie nie – wäre da nicht diese Erkältung.
In Rücksprache mit Arzt und Trainer habe ich die Woche pausiert, viel geschlafen, Stress vermeiden und den Körper mit allen Vitaminen versorgt, die helfen können.
Zum Glück sind wir nicht allein – eine kleine Reisegruppe trifft sich mit uns auf dem Campingplatz in der Nähe der Rennstrecke und so ist in jedem Fall mentale Unterstützung vor Ort.
Am Samstag fühle ich mich schon besser, hole meine Startunterlagen ab, checke mein Fahrrad ein und beschließe: einfach erstmal starten und schauen, wie weit ich komme. Mit niedrigem Puls und ohne Zeit-Ziel.
Es tut gut, einige bekannte Gesichter beim Schwimmstart und auf der Strecke zu sehen und sich gegenseitig zu unterstützen. Ich schätze diese Community wirklich sehr: egal, wo man bei einem Triathlon startet, ein pinkes Fräulein trifft man immer!
Nach dem Schwimmen fühle ich mich gut, setze mich aufs Rad und fahre die 90 Kilometer mit einem guten Schnitt durch den Brandenburger Wald. Mittlerweile haben die Temperaturen die angesagten 32 Grad fast erreicht. Ich starte in moderatem Tempo auf die Laufstrecke, merke aber schnell am Puls, dass ich in diesem Tempo nicht lange weiter machen kann. So gehe ich einige Teile der Strecke, kühle mich an jeder Verpflegungsstation. An der Straße steht ein kleines Mädchen, etwa so alt wie meine Tochter. Sie ruft mir jede Runde zu, ich soll weiter machen, ich würde das schon schaffen. Ich muss schmunzeln und weinen zugleich, die Worte hatte ich von Zuhause doch schon mit auf den Weg bekommen! Sie motivieren mich ungemein, jetzt bringe ich das auch zu Ende! Mit jeder Menge Emotion im Herzen biege ich nach insgesamt 113 Kilometern Schwimmen, Radfahren und Laufen in den Zielkanal ein. Knapp unter sieben Stunden zeigt die Uhr, was ich erst später erfahre, denn meine Sportuhr hat unter der Hitze nach 13 Laufkilometern den Geist aufgegeben. Ich klatsche Hände ab, jubele, forme ein Herz mit meinen Händen. Eine Dame hängt mir die Finisher-Medaille um - in Bruchteilen von Sekunden breche ich in Tränen aus. Stolz, Erleichterung und der Gedanke „Mama hat es geschafft“ nehmen mich ein und verflüssigen sich über mein Gesicht. An den Weg zurück zum Campingplatz kann ich mich gar nicht mehr so genau erinnern. Es gab abends eine Menge Pizza und Gespräche über die Strecke, das Material, die Erlebnisse auf dem Weg bis zum Ziel.
Ich denke an die Saison mit ihren vielen schönen Momenten, bin getragen von einem „Finisher High“ und irgendwie, ja irgendwie kommt es so, dass die Planung für das kommende Jahr wieder eine Mitteldistanz beinhaltet. Mal sehen, was die Familie dazu sagt.