Geschichte erlebt

In der Rubrik „Eure Geschichten“ dreht es sich – wie es schon im Namen steht – um bunte Geschichten aus der Welt des Triathlons, an dieser Stelle aber speziell aus dem Breitensport. Was aber, wenn es keine wirkliche Geschichte gibt, sondern man selbst schon fast Teil der Geschichte ist?

Uschi Schäfer Arolenker
Damals gab es weder Literatur für einen vernünftigen Trainingsaufbau noch Tipps fürs Radfahren, Tricks für einen schnelleren Wechsel oder wie zum Beispiel Schuhe am Rad zu befestigen sind. Auch die Klickpedale waren noch Zukunftsmusik, genau wie Helme. Das, was ich auf dem Kopf trug, nannte sich Sturzring und war freiwillig, keine Pflicht.
Uschi Schäfer
Uschi Schäfer Sturzhelm
Uschi Schäfer Helm

Die Rede ist von Uschi Schäfer, die, 1948 geboren, die Anfänge des Triathlons hautnah miterlebt hat und dementsprechend als weiterhin aktive „Zeitzeugin“ Jahr für Jahr ein weiteres Kapitel ihrer Geschichte hinzufügt. 

Begonnen hat alles 1983, also genau ein Jahr, nachdem in Essen der erste Triathlon Deutschlands über die Bühne ging. 48 Aktive maßen sich in Nordrhein-Westfalen im Dreikampf aus Schwimmen, Radfahren und Laufen; damals noch ohne Uschi.

Wenige Monate später war die gebürtige Weinheimerin, bis dahin eine ambitionierte Langstrecken- und Ultralangstreckenläuferin (100 Kilometer in 8:12 Stunden), dann ebenfalls am Start. Wie so oft spielte der Zufall Verletzung eine nicht unerhebliche Rolle. „Ich habe mir im Winter 1982/83 beim Skilanglauf eine Wirbelsäulenverletzung zugezogen. Mein Arzt hat mir daraufhin geraten, das lange Laufen sein zu lassen und lieber zu schwimmen und Rad zu fahren.“

Es war der Türöffner zu einer neuen Welt. Die langjährige Werkrealschullehrerin und spätere Rektorin, die Jahre an ihrer Lehranstalt Triathlon als Schulsportveranstaltung etablierte, zögerte nicht lange und erstand nicht nur ein Rennrad, sondern auch ein Lehrbuch über Kraulschwimmen, das zumindest am Anfang zu einem echten Wegbegleiter wurde.

„Ich habe dann geschaut, wo 1983 Triathlon-Wettbewerbe stattfinden würden, und habe dann Worms und Immenstadt gefunden. Da Worms näher an meiner Heimat lag, habe ich mich dafür entschieden.“

Und da die damals 34-Jährige noch nicht wirklich weit mit der Lektüre ihres Buchs über das Kraulschwimmen gekommen war, musste sie die zurückzulegende Schwimmstrecke über 1.000 Meter im Bruststil absolvieren. Trotzdem stand sie am Ende aufgrund ihrer starken Laufleistung ganz oben auf dem Podest. „Damals hat mein Dasein als Triathletin begonnen!“

Allerdings „gab es weder Literatur für einen vernünftigen Trainingsaufbau noch Tipps fürs Radfahren, Tricks für einen schnelleren Wechsel oder wie zum Beispiel Schuhe am Rad zu befestigen sind. Auch die Klickpedale waren noch Zukunftsmusik, genau wie Helme. Das, was ich auf dem Kopf trug, nannte sich Sturzring und war freiwillig, keine Pflicht.“

Und auch die übrigen Materialien waren nicht unbedingt auf Komfort ausgelegt, wie sich die mittlerweile 75-Jährige zurückerinnert: „Die Sättel der Räder waren noch aus hartem Leder, Radhosen für Damen noch nicht einmal angedacht, sodass ich immer mit zu viel Stoff im Schritt zu kämpfen hatte.“

Dementsprechend kann Uschi auf ausgefüllte Triathlon-Jahrzehnte zurückblicken, in denen die ambitionierte Sportlerin nicht nur immer am Puls der Zeit blieb, indem die ersten Helme oder Scheibenräder oder die ersten Einteiler für Frauen getestet wurden. „Das Umziehen war bis dahin immer für die Zuschauenden lustig gewesen, weil man in der Wechselzone häufiger blankzog.“

Auch durch alle möglichen Höhen und Tiefen ist die Besitzerin zweier Papageien gegangen. So wurde vor allem die Europameisterschaft in Almere 1985 als eigentlicher Saisonhöhepunkt aufgrund von Chaos bei Organisation und Wetter schnell zum negativen Peak der Agegroup-Karriere: „Wir sind bei 17 Grad im Gewitter gestartet, mit bis zu einem Meter hohen Wellen im Ijsselmeer. Die Strecke war bereits auf 2.400 Meter gekürzt, dennoch wurden rechts und links unterkühlte Starterinnen und Starter geborgen.“ Und auch auf der Straße wurde es nicht besser.

„Ich hatte nach drei Kilometern einen Platten. Auf der ganzen Straße standen Athletinnen und Athleten, die dasselbe Schicksal erwischt hatten und versuchten, mit steifen Fingern neue Reifen aufzuziehen. Irgendein Scherzbold hatte etwas auf die Straße gestreut, vermutlich Glassplitter.“ Es folgten weitere Wolkenbrüche und ein Beinahe-Zusammenstoß mit einem LKW auf der Rennstrecke, bei dem sie aufgrund der Windwand, die dieser vor sich herschob, in den Straßengraben stürzte.“ Etliche Zeigerumdrehungen später brachte eine warme Dusche in der Wechselzone Leben in die Glieder zurück, sodass die Deutsche Meisterin der AK 40 von 1988 nicht aufgab und bis zum Ende durchzog, allerdings mit einem Entschluss im Gepäck: „Ich beschloss, nie mehr nach Almere zurückzukommen.“

Das positive Highlight der Hobby-Aquarell-Malerin folgte schließlich 40 Jahre später. 2024 wurde Uschi trotz eines kurz zuvor gerissenen Bandes Deutsche Meisterin auf der Sprintdistanz in der Altersklasse 75. Wie so oft hatte sie, die sich durch zahlreiche Verletzungen und Krankheiten durchkämpfen musste, sich stark zurückgemeldet. Wie in den 90er Jahren als eine ignorierte Neben- und Stirnhöhlenentzündung 1989 zu einer Entzündung des Herzmuskels führten – und sie direkt ins Krankenhaus. „Es hat fast zehn Jahre gedauert, bis ich wieder einigermaßen joggen konnte.“ 

Umso wichtiger ist die Gesundheit mittlerweile. Fit bleibt die pensionierte Pädagogin dank regelmäßiger Bewegung. Aber das ist – laut ihr - nicht alles. Am Ende sind es „40 % Gene, 40 % Fleiß, Disziplin und Ehrgeiz und zu 20 % ein guter Orthopäde beziehungsweise Physio-Therapeut.“ Und natürlich der Spaß, damit noch weitere Jahre im Triathlon-Sport folgen können.

Du hast auch eine spannende oder witzige Geschichte zu erzählen, wie du zum Triathlon gekommen bist? Oder Verletzungen/Krankheiten oder besondere Momente/Ereignisse haben dich erst recht angespornt, (weiter) aktiv zu sein? Dann schreibe uns eine E-Mail an medien@triathlondeutschland.de. Und vielleicht erscheint hier bald deine Geschichte.