"Mein Leben bestand aus Schweiß, Tränen und viel Angst"
Das Wasser funkelte, die Sonne wärmte, Körper und Psyche fühlten sich prima an. Das Bild hat sich eingebrannt
Man könnte sagen, dass Carsten Wruck zu seinem Glück gezwungen werden musste. Denn heute, rund eineinhalb Jahrzehnte später, schwärmt er vom Sport, von der Bewegung, vom Laufen. Sport, Bewegung und Laufen sind für ihn längst zu einem Bedürfnis geworden.
2004 war das anders. Carsten schlief von Woche zu Woche schlecht(er). Erst wachte er morgens um fünf Uhr auf und konnte nicht mehr einschlafen. Dann um vier Uhr. Dann um drei. Abends schlief er erschöpft ein, Mitten in der Nacht lag er wach und fühle sich elend. „Mein Leben“, sagt Carsten, „bestand aus Schweiß, Tränen und viel Angst. Ich hatte Angst, aber ich wusste nicht wovor.“ An manchen Tagen hatte Carsten Probleme aufzustehen, Struktur in seinen Tag zu bekommen.
Carsten litt an einem Burnout. Und aus dem Burnout entwickelte sich eine starke Depression.
Es folgten mehrere Klinikaufenthalte innerhalb der nächsten Monate und Jahre. Zu seinem täglichen Programm gehörte jedes Mal auch Joggen. Am Anfang waren für Carsten 500 Meter eine Herausforderung. „Aber das Laufen tat mir gut“, sagt er. Für den Körper. Und auch für die Psyche.
Das Problem war nur: Er verband das Laufen immer mit der Erkrankung. Obwohl er den positiven Einfluss auf seinen Körper und seine Psyche spürte, lief er außerhalb der Klinikaufenthalte nicht. Überhaupt nicht. „Ich hatte regelrecht Angst vor dem Laufen“, sagt Carsten. Er schaffte es nicht, seine Psyche zu überlisten. Über Jahre und über mehrere Klinikaufenthalte nicht.
Erst 2010 und 2011, also sechs und sieben Jahre nach dem ersten Auftreten der Krankheit, hatte er zwei Schlüsselerlebnisse, die schließlich zu einer Wende führten. Bei einem erneuten Klinikaufenthalt 2010 riet man ihm im Abschlussgespräch, positive Dinge, die er aus den Wochen in der Klinik mitnehmen wolle, virtuell in einem Koffer zu packen. Und zu Hause wieder auszupacken. Mit diesem Kniff gelang es ihm, das Laufen in sein Leben außerhalb der Klinik zu integrieren.
Neun Monate später, im Sommerurlaub in Österreich, lief er frühmorgens an einem Bach entlang. „Das Wasser funkelte, die Sonne wärmte, Körper und Psyche fühlten sich prima an. Das Bild hat sich eingebrannt“, erzählt Carsten. Das Laufen wurde so vom Zwang zur Lust, zum Bedürfnis.
Er lief öfter, er lief längere Strecken, er lief bei jedem Wetter und zu jeder Uhrzeit. Nach drei Jahren bekam er jedoch Probleme mit der Achillessehne. Ein Arzt verordnete acht Wochen Laufpause (Carsten: „Eine Katastrophe“). Ein Arbeitskollege empfahl als „Ersatz“ Schwimmen und Radfahren. Ich konnte“, sagt Carsten, „mir damals nicht vorstellen, mal 500 Meter am Stück zu schwimmen.“ Ein paar Monate später konnte er es doch. 2014 absolvierte er in Ratzeburg seinen ersten Triathlon.
„Ich setze mich, was sportliche Ziele angeht, nicht unter Druck“, sagt Carsten. Denn mit Druck hat er schlechte Erfahrungen gemacht. (Beruflicher) Druck war schließlich der Auslöser für seinen Burnout: „Beim Sport will ich keinen Druck verspüren. Sport soll ein Quell der Freude für mich sein.“
Sport ist für ihn nicht nur ein Quelle der Freude, sondern auch ein Hilfsmittel im Kampf gegen die Krankheit. „Ich habe viele Hilfsmittel, aber Sport ist das wichtigste“, sagt Carsten. Er braucht mittlerweile keine Therapie mehr, bekommt nur eine geringe Medikation. „Mit dem Sport kann ich sehr viel dafür tun, dass es mir gut geht“, sagt der 55-Jährige.
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