„Die Veranstaltungen werden wieder groß und größer werden“

Die Corona-Pandemie hatte und hat Auswirkungen auf die Veranstaltungslandschaft in Triathlondeutschland. Doch welche genau? Und wie sieht die Zukunft aus? Ein Gespräch mit Jan Philipp Krawczyk, Vizepräsident Kampfrichter- und Veranstaltungswesen der Deutschen Triathlon Union (DTU), über Bequemlichkeit, Allerheilsmittel und Ausscheidungsrennen.

Jan-Philipp Krawczyk
AK-Athleten
Die Wertigkeit einer DM zeigt sich auch dadurch, dass man nicht einfach hinfahren und gewinnen kann
Jan-Philipp Krawczyk

Wie negativ hat sich die Corona-Pandemie bislang auf die Veranstaltungslandschaft in Deutschland ausgewirkt?

Die langfristigen Folgen können wir noch gar nicht absehen. Was ich sagen kann: Die Veranstalter konnten die Schäden dieses Jahr besser abmildern, auch weil wir alle zusammen deutlich besser auf die Situation vorbereitet waren als vergangenes Jahr. Ich hoffe, dass wir kommendes Jahr wieder eine normale Saison haben werden. Drei Jahre mit Absagen in Folge, das hätte vermutlich vielerorts negative Konsequenzen. Die Bereitschaft der Helfer*innen würde zurückgehen, die Akzeptanz bei den genehmigenden Behörden sinken.

Wie gehen aus deiner Sicht die Athlet*innen mit der Situation um?

Bei ihnen ist der Wunsch, Wettkämpfe zu absolvieren, sehr groß. Sie haben auch Dinge hingenommen, die aufgrund der Hygienekonzepte nötig, für sie aber sicherlich nicht ideal waren. Sie haben sehr viel akzeptiert, hatten und haben aber trotzdem sehr viel Spaß an den Wettkämpfen.

Gibt es auch etwas Positives, das man aus der Corona-Pandemie mitnehmen kann?

Das Negative überwiegt sicherlich zu 99 Prozent. Was aber toll zu sehen war, dass es nicht immer noch perfekter, noch größer, noch bunter sein muss – und trotzdem schön sein kann. Manchmal ist auch ein zurück zu den Wurzeln ein guter Weg.

Wird die Entwicklung in den kommenden Jahren wieder positiv verlaufen?

Die Veranstaltungen werden wieder groß und größer werden. Es wird weiterhin die Kombination aus großen Rennen und kleinen Dorfveranstaltungen geben.

Es wird also kein Aussterben von kleinen Veranstaltungen geben?

Ich hoffe es. Die großen Veranstaltungen hatten und haben 2020 und 2021 den größeren Druck, etwas machen zu müssen. Auch aus finanzieller Sicht. Bei den kleinen Veranstaltungen ist natürlich die Gefahr da, dass Helfer abspringen und dass sich die einen oder anderen Organisatoren bequem eingerichtet haben und denken, dass müssen wir jetzt aber nicht mehr machen. Da es allerdings alle aus Spaß und nicht aus Zwang machen, bin ich positiv gestimmt, dass es die meisten Wettkämpfe auch in den kommenden Jahren noch geben wird.

Geht der Trend weiterhin zu mehr Rennen in den Innenstädten?

Wir brauchen beides. Die Leuchtturm-Veranstaltungen in den Innenstädten sind die Rennen, die die Menschen zum Triathlon bringen. Sie sind medial sehr gut zu vermarkten und zeigen, wie toll unsere Sportart ist. Für Einsteiger bieten sie sich super an, weil ich mich in der Masse verstecken kann. Letzter von 150 Starter*innen beim Dorftriathlon will keiner werden, vor allem, wenn das ganze Dorf zuschaut. Aber es gibt eben nicht dieses Allheilmittel Triathlon in der Innenstadt. Wir brauchen auch die traditionsreichen Veranstaltungen auf dem Land, mit landschaftlich reizvollen Strecken, die sehr basisorientiert und nahe an den Menschen sind - auch um unsere Vereine zu unterstützen.

Im olympischen Triathlon geht der Trend zu immer kürzeren, mediengerechteren Formaten wie der Supersprintdistanz oder Ausscheidungsrennen. Wird es diese Tendenzen im Amateurbereich auch geben?

Ich gehe davon aus, dass es hier zweigeteilt bleibt. Auf der einen Seite die Langdistanzler, für die der Mythos Hawaii ungebrochen ist. Und auf der anderen Seite die Leute, die auf den kürzeren Strecken starten. Für die ambitionierten Amateuren unter ihnen sind Rennen über die kurzen Distanzen im Eliminator-Format (nach jedem Rennen scheidet eine bestimmte Anzahl an Athlet*innen aus, Anm. d. Red.) sicherlich eine spannende Sache. In den reinen Altersklassenrennen sicherlich nicht. Da werden wir in den kommenden Jahren vielleicht den Rolling-Start häufiger sehen, sicherlich aber keine Ausscheidungsrennen.

Durch die Corona-Pandemie sind viele Leute zum Laufen und zum Radfahren gekommen. Werden wir viele von ihnen in den kommenden Jahren erstmals bei einem Triathlon sehen?

Auf jeden Fall. Vielleicht nicht gleich bei einem Triathlon, sondern erst einmal bei einem Duathlon, da das Schwimmen für viele eine Hürde darstellt, gerade nach einer Zeit, in der die Schwimmbäder lange geschlossen waren. Triathlon wird, wie schon in den vergangenen Jahren, eine Herausforderung für viele Menschen bleiben, die sie gerne suchen. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass es in den kommenden Jahren bei Veranstaltungen auch Wettbewerbe für Einsteiger gibt, zum Beispiel mit verkürzten Distanzen beim Schwimmen. 500 Meter Schwimmen schafft in der Regel jeder halbwegs sportliche Mensch.

Solche Menschen starten dann vielleicht auch mal bei einer Deutschen Meisterschaft. Wie groß ist der Wert einer DM-Medaille?

Sehr groß, das haben auch die Teilnehmerzahlen bei Deutschen Meisterschaften in den vergangenen Jahren gezeigt. Die Wertigkeit einer DM zeigt sich auch dadurch, dass man nicht einfach hinfahren und gewinnen kann, sondern dass hinter einem Titelgewinn sehr viel Training steckt.

Wie kann man Deutschen Meisterschaften in der Zukunft noch attraktiver gestalten?

Der Erlebnischarakter muss noch mehr in den Vordergrund gerückt werden. Athlet*innen müssen einen Grund haben, warum sie 300, 400 oder 500 Kilometer zu einem Rennen fahren. Wenn sie wissen, sie erleben dort auch etwas um ihren eigentlichen Wettkampf herum, gibt es zudem auch einen Anreiz für ihre Begleiter*innen, dann fahren sie da gerne hin. Heutzutage muss auch das Socialising mit im Vordergrund stehen.

Aus welchem Grund sollte ich als Athlet*in unbedingt mal bei einer DM starten?

Natürlich geht es darum, sich mit anderen zu messen, mit den besten deutschen Athlet*innen der jeweiligen Altersklasse zu messen. Aber viele Sportler*innen fahren nicht hin, um den Titel zu gewinnen – dafür kommen einfach nur wenige pro Altersklasse in Frage. Viele Sportler*innen fahren hin, um die bestmögliche Leistung zu zeigen, weil sie Gleichgesinnte treffen und Spaß haben wollen. Bei vielen Athlet*innen ist einfach die Freude groß, bekannte Gesichter wiederzusehen.

Bekannte Gesichter sind manchmal auch die Kampfrichter*innen. Welche Ziele verfolgt ihr hier?

Wir können als Deutsche Triathlon Union international noch besser aufgestellt sein. Dafür brauchen wir noch mehr sehr gute Kampfrichter*innen, die die Qualifikation haben, vom Weltverband World Triathlon bei Olympia, Welt- oder Europameisterschaften oder anderen großen internationalen Rennen eingesetzt zu werden. Am besten junge Kampfrichter*innen.

Warum junge Kampfrichter*innen?

Es ist wichtig, sehr gut englisch zu sprechen. Das können junge Menschen in der Regel besser. Und internationale Einsätze sind natürlich auch zeitintensiv. Jemand, der (noch) keine Familie hat, hat dafür mehr Zeit als ein zweifacher Familienvater.

Es geht für uns als DTU darum, sich international noch besser zu präsentieren. Wir wissen, dass unsere Kampfrichter*innen gut ausgebildet sind. Der Weltverband weiß auch, dass unsere Kampfrichter*innen gut ausgebildet sind. Wer sich aktiv einbringt, hat auch mehr Mitsprache bei Entscheidungen wie Änderungen am internationalen Regelwerk.