Wenn Aufgeben keine Option ist

Birte Obermaier hätte dem Triathlon nach zwei Wettkämpfen beinahe wieder den Rücken gekehrt, weil es mit dem Schwimmen nicht klappen wollte. Sie tat es aber nicht. Und so ist ihre Geschichte auch eine Geschichte des Nicht-Aufgebens.

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Die zweiten 750 Meter waren eine der schlimmsten Erfahrungen meines Lebens
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Es ist der 6. August 2023. Kurz nach dem Wendepunkt der Schwimmstrecke setzte sich Birte am Rand der Donau auf eine Stufe. Sie hatte noch über 500 Meter vor sich. Sie wollte noch. Aber sie konnte nicht mehr, fühlte sich überfordert, der Situation nicht gewachsen. Weniger körperlich, sondern mental. 

„Ich saß da und habe über das Aufgeben nachgedacht“, sagt Birte über ihren Start beim Regensburger Triathlon 2023 über die Olympische Distanz. 

Ein paar Wochen zuvor hatte die Münchenerin ihren ersten Ausdauerdreikampf bestritten. In Oberschleißheim beim 3MUC Triathlon über die Volksdistanz. „Es hat sehr viel Spaß gemacht, und ich dachte: ein Triathlon geht mit Brustschwimmen wunderbar.“ 

Rückblickend wie sie sagt „etwas übermütig“, stürzte sie sich in einen Wettkampf mit deutlich längeren Distanzen: „Ich dachte, meine 15 Minuten über 500 Meter aus Oberschleißheim mal drei sollten für die Cut-off-Schwimmzeit von 45 Minuten über die Olympische Distanz in Regensburg schon reichen.“ Doch es kam anders. Ganz anders. Das erste Mal Schwimmen im Freiwasser, das ungewohnte Gefühl im Neoprenanzug und die vielen Athletinnen und Athleten um sie herum sorgten für eine Situation, mit der sie nicht klarkam.

„Die zweiten 750 Meter waren eine der schlimmsten Erfahrungen meines Lebens“, unterstreicht Birte. 

Auf dem Rückweg zum Schwimmausstieg begleitete die 41-Jährige ein Kanufahrer, der ihr die ganze Zeit gut zuredete. Irgendwie schaffte sie die Schwimmstrecke, sogar innerhalb der Zeitvorgabe. Es war eine Leistung des Willens. Des puren Willens. „Ich konnte nicht mehr, aber ich wollte es unbedingt schaffen“, erinnert sich Birte.

Im Ziel war sie sich nicht sicher, ob sie nochmals bei einem Triathlon starten möchte. Ein paar Tage später allerdings schon: „Es war schon auch so, dass diese Grenzerfahrung einen wahnsinnigen Reiz ausgelöst hat.“ Sie wusste aber, dass es ohne Unterstützung nicht gehen würde. Deshalb meldete sie sich zum Schwimmtraining beim MTV München an. Dadurch, so glaubte sie, sollte die erste Teildisziplin bei den Triathlonwettbewerben 2024 besser werden.

Nur, es wurde nicht besser – zumindest zunächst. Obwohl sie über Monate an der Technik gearbeitet, an der Atmung gefeilt und mit ihren Vereinskolleginnen und -kollegen den Start großer Felder geübt hatte, war sie beim Stadttriathlon Erding nicht in der Lage, die 400 Meter der Volksdistanz durchzukraulen. Nach 200 Metern schob sie ihre beschlagene Schwimmbrille nach oben und schwamm die Reststrecke im Bruststil. Im Kopf hämmerte die ganze Zeit die eine Frage: „Warum tue ich mir das an?“ Sie beendete das Rennen zwar, war aber äußerst frustriert.

Die Triathlon-Geschichte von Birte könnte hier enden. Es ist schließlich eine Geschichte, die viele Exit-Optionen bietet. Jeder der Nackenschläge beim Schwimmen bot ihr die Möglichkeit, es mit dem Ausdauerdreikampf sein zu lassen. Aber Birte hat es nie sein lassen. Und so ist die Triathlon-Geschichte von Birte eben eine Geschichte des Nicht-Aufgebens, des Glaubens an sich selbst.

„Ich habe geübt, geübt und geübt. Und irgendwann bin ich dafür belohnt worden. Wenn auch eher später als früher“, erklärt Birte. Es geschafft zu haben, die Schwimmstrecke einer Olympischen Distanz durchzukraulen, ist für Birte eines der größten Erfolgserlebnisse ihres Lebens, wie sie betont: „Ich bin sehr stark daran gewachsen.“

Neben dem unaufhörlichen Trainieren waren es schließlich viele Gespräche im Verein, die dazu führten, dass es mit dem Durchkraulen doch noch klappte. „Ich habe mir gedacht: Es kann doch nicht sein, dass nur ich diese Probleme beim Schwimmen habe. Also habe ich mit vielen Menschen darüber gesprochen, das hat mir geholfen“, sagt Birte.

Denn wenige Wochen nach dem Wettkampf in Erding funktionierte es beim Karlsfelder Triathlon plötzlich mit dem Schwimmen. Warum? Weil ihr Mindset stimmte, sie die Kunst des Langsam-Seins beschwor (sie hatte sich ein Post-it an den Nachttisch geklebt, auf dem Stand: Ich kann auch 50 bis 55 Minuten fürs Schwimmen brauchen) und sich im Vorfeld mit den Bedingungen vor Ort intensiv durch mehrere Trainingseinheiten im Karlsfelder See auseinandergesetzt hatte.

Sie kraulte bis zur ersten Boje, sie kraulte bis zur zweiten Boje, sie kraule bis zur dritten (und letzten) Boje. Spätestens da fiel eine große Last von ihr ab, sie begann andere Schwimmerinnen und Schwimmer zu überholen, wurden richtiggehend euphorisch. „Es war ein sehr, sehr schönes Gefühl“, erzählt sie.

Birte fühlt sich im Wasser nun sicher, hat das Selbstvertrauen, 1,5 Kilometer am Stück kraulen zu können. Sie sagt aber auch: „Für mich wird das Schwimmen immer eine Herausforderung bleiben.“ Und damit eine Geschichte des Nicht-Aufgebens. 

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