Die Frau, die niemals aufgibt

Im Herbst 2014 schien die Karriere von Heike Voigt nach einem Sturz beendet. Sie wollte die Prognosen der Mediziner nicht akzeptieren, wollte sich sich zurückkämpfen, obwohl sie anfangs mit ihrer lädierten Schulter nicht einmal alltägliche Dinge machen konnte. Doch die kämpfte sich zurück, trotz zwischenzeitlicher Rückschläge. Dieses Jahr will sie sich einen großen sportlichen Traum erfüllen.

Heike Voigt
Triathlon hat mir zu mehr Ausgeglichenheit und Gelassenheit verholfen.
Heike Voigt

An einem Tag im Oktober 2014 schien die sportliche Laufbahn von Heike Voigt nach einem Radsturz jäh beendet. Ihr Orthopäde sagte: „Sie werden mit dieser Schulter keinen Sport mehr machen können.“ Er sagte dies ausgerechnet zu Heike, die sagt, sie liebe Triathlon und Triathlon mache sie so glücklich. „Es war“, sagt die heute 49-Jährige, „eine ganz schön frustrierende Situation.“ Sie hatte sich bei dem Sturz unter anderem die Schulter gebrochen und ausgekugelt sowie den Oberarmkopf zertrümmert.

Der (Lebens-)Weg von Heike und der Triathlon hatten rund zehn Jahre zuvor ihre ersten Berührungspunkte. Ihre älteste Tochter begann beim TV Lemgo mit dem Ausdauerdreikampf. Und Heike startete ihre Karriere als (Schwimm-)Trainerin. Das Engagement, das sie seitdem zeigt, vor allem über ihre eigenen Ambitionen hinaus, ist bewundernswert: sie trainiert Kinder, sie gibt Arbeitsgemeinschaften an Schulen, sie lernt Flüchtlingen das Schwimmen. 2010 schenkte ihr Mann ihr zu Weihnachten ein Rennrad – der Beginn von Heikes eigener Triathlon Karriere. Im Jahr darauf absolvierte sie ihr erstes Rennen. Weitere Wettkämpfe folgten.

Bis zu jenem Tag im Oktober 2014. Heike ließ sich von der Prognose des Orthopäden runterziehen. Allerdings nur kurz. Dann begann sie das, was sie besonders gut kann: kämpfen.

Sie wollte die Prognosen so nicht akzeptieren, sich zurückkämpfen. Sie versuchte dies, indem sie sich Ziele setzte. Kleine Ziele. An Weihnachten wollte sie wieder mit Messer und Gabel essen können. An Weihnachten konnte sie wieder mit Messer und Gabel essen. Im neuen Jahr wollte sie wieder Autofahren können. Im neuen Jahr konnte sie wieder Autofahren. Sie wollte weiterhin Triathlons absolvieren können, meldete sich für ein Rennen im Mai an. Im Mai startete und finishte sie das Rennen. „Es war der emotionalste Wettkampf meiner Karriere“, sagt Heike. Sie lief zusammen mit ihren beiden Töchtern über die Ziellinie – und dies am Muttertag.

Ihr Wille war stärker als ihre körperlichen Einschränkungen im Schulterbereich.

Sie schien auf einem guten Weg, ihren langgehegten Wunsch von der Langdistanz umsetzen zu können. Ein Jahr später folgte jedoch der nächste Rückschlag. Eine Routinekontrolle ergab, dass in der Schulter Teile abgestorben waren. Sie musste sich eine Schulterteil-Prothese, ein sogenanntes Schulter-Tep, einsetzen lassen. Immerhin sagte ihr diesmal kein Mediziner, dass sie mit der Schulter keinen Sport mehr treiben könne. Im Gegenteil: Der behandelnde Arzt hatte nicht nur keine Bedenken, er machte ihr sogar Mut. Sagte: „Sie machen doch jetzt auch Triathlon, das ist doch der Prothese egal.“ Diesmal war es eher Heike, die sich Sorgen um ihre sportliche Karriere machte, sich genauesten rückversicherte.

Heike hat seit ihrem Sturz Einschränkungen an ihrer linken Schulter. Sie kann beispielsweise den Arm beim Kraulen nicht so sauber führen. Sie kann auch gewisse Übungen, wie zum Beispiel Dips, nicht machen. Und ihr linker Arm ist schneller ermüdet als der rechte Arm. Aber sie verspürt keine deutlichen Leistungseinbußen. „Die Schulter ist nicht perfekt“, sagt Heike: „Aber ich kann damit 3,8 Kilometer Kraulen.“ So konnte sie 2018, eineinhalb Jahre nach der Schulter-Operation, ihren Traum von der Langdistanz umsetzen.

Triathlon ist für sie längst mehr als nur ein bisschen sportliche Bewegung. Es ist ihr großes Hobby, das, was für sie nach Familie und Beruf am meisten zählt. Über Triathlon hat sie viele Freundschaften und Bekanntschaften geschlossen. Und Triathlon prägt sie: „Triathlon hat mir zu mehr Ausgeglichenheit und Gelassenheit verholfen.“

Nun möchte Heike, die Kämpferin, die Frau, die niemals aufgibt, beim DATEV Challenge Roth 2021 ihre zweite Langdistanz finishen. Denn ihr Weg, der im Oktober 2014 schon zu Ende schien, ist noch längst nicht zu Ende. Heike möchte auf diesem Weg noch einige Etappen absolvieren.

Der Orthopäde, der ihr nach ihrem Radsturz 2014 prognostizierte, sie werde mit ihrer Schulter keinen Sport mehr machen können, revidierte seine Meinung übrigens im Lauf der Zeit und unterstützt und behandelt Heike vorbildlich. Heike ist nun sein Paradebeispiel, wenn es darum geht, anderen Menschen mit körperlichen Problemen Mut zu machen und aufzuzeigen, was man alles erreichen kann – wenn man will.

Du hast auch eine tolle, spannende oder witzige Geschichte zu erzählen, wie du zum Triathlon gekommen bist? Oder Verletzungen/Krankheiten oder besondere Momente/Ereignisse haben dich erst recht angespornt, (weiter) aktiv zu sein? Dann schreibe uns eine E-Mail an medien@dtu-info.de. Und vielleicht erscheint hier bald deine Geschichte.