Schmerzbefreit

Tanja Drielings Leben drehte sich aufgrund einer Wirbelsäulenversteifung vor allem um Schmerzen. Sie wurde deswegen immer verzweifelter. Dann begann sie mit Triathlontraining – und ihr Leben wird plötzlich ein ganz anderes. 

Tanja Drieling
Es war wie eine Befreiung. Vorher war der Schmerz der Mittelpunkt meines Lebens, jetzt ist es der Sport. Die Schmerzen sind nur noch ein Begleiter, den ich akzeptiere
Tanja Drieling
Tanja Drieling

Vor rund vier Jahren galten Tanjas erste Gedanken nach dem Aufwachen Dingen, die eigentlich alltäglich sind. Dinge, die sie an diesem Tag aber wieder nicht machen würde können: auf ein Konzert gehen, Sport machen, den Haushalt alleine hinbekommen zum Beispiel. Stattdessen konnte die damals 23-Jährige phasenweise nicht Arbeiten gehen, musste über den Tag verteilt unheimlich viele Medikamente gegen ihre Schmerzen einwerfen, hatte ihr Leben, wie sie es nennt, „nach den Schmerzen ausgerichtet“ – obwohl sie gerade eine Operation hinter sich hatte, von der sie sich Besserung erhofft hatte. 

 

„Ich war damals richtig down“, sagt Tanja, eigentlich eine lebenslustige, junge Frau, und fügt an: „Dabei wollte ich doch eigentlich nur ein normales Leben führen.“ 

 

Bis sie den Schlüssel zu einem – weitestgehend – normalen Leben fand, sollten aber noch Monate vergehen. 

 

In Tanjas Leben war seit ihrem elften Lebensjahr vieles nicht mehr wirklich normal gewesen. Damals wurde bei ihr eine Skoliose entdeckt, die schließlich zu einer Versteifung der Wirbelsäule führte. Von da an musste sie täglich 23 Stunden ein Korsett tragen, das den kompletten Oberkörper bedeckte. Das war nicht nur wie ein „Gefängnis“, sondern sorgte auch für Schwellungen und Schürfwunden. Es machte mit einer Teenagerin auch mental einiges. „Psychisch war das eine enorme Belastung“, sagt Tanja. 

 

Sie verbrachte viel Zeit im Krankenhaus und in Reha. Das Schlimme war: Sie lebte ein Leben in dem Wissen, dass es vermutlich nicht einfach irgendwann besser werden wird. Es stattdessen schon ein Erfolg ist, wenn es nicht schlimmer wird. Von Sport war ihr abgeraten worden, zumindest dem Sport (Volleyball oder Snowboarden beispielsweise), den sie gerne ausübte. Tanja: „Es hieß immer: Bewegung ist gut, aber all das, was du machst, ist nicht gut.“ 

 

Vor fünf Jahren wurde die Krümmung der Wirbelsäule schlimmer, die bereits erwähnte Operation folgte. Nicht um ihr Schmerzen zu nehmen, sondern um zu verhindern, dass sie bald darauf im Rollstuhl sitzen muss. Natürlich hatte sie trotzdem Hoffnungen in die Operation gesteckt. Hoffnungen, die nicht erfüllt wurden. Denn die Schmerzen blieben. 

 

Vor allem deswegen befand sie sich bald nach dem Eingriff in dem anfangs beschriebenen Zustand der Antriebs- und Lustlosigkeit. Dieser Zustand hielt zweieinhalb Jahre an. Bis Tanja ihr Schicksal an einem Tag im September 2023 selbst in die Hand nahm, sich ihr Leben nicht mehr von den Schmerzen bestimmen lassen wollte. Sie dachte: schlimmer können die Schmerzen nicht werden, setzte sich das Ziel, bei einem Stadtlauf teilzunehmen und begann mit Sport. 

 

Es war der Wendepunkt ihrer Krankheitsgeschichte, der Wendepunkt ihres Lebens. „Ich wollte das Gefühl zurückbekommen, dass ich die Person bin, die über mein Leben bestimmt“, sagt Tanja. 

 

Ihr gelang es, den Teufelskreis aus Schmerzen, Schmerzen und Schmerzen zu durchbrechen. Sport war dabei das Werkzeug, dass ihrem Körper, aber auch ihrem Kopf half. „Es war wie eine Befreiung. Vorher war der Schmerz der Mittelpunkt meines Lebens, jetzt ist es der Sport. Die Schmerzen sind nur noch ein Begleiter, den ich akzeptiere“, sagt Tanja und fügt an: „Ich habe dadurch so viel Leben zurückgewonnen.“ Sie macht nun auch wieder Dinge, die sie zuvor nicht gemacht hat. Auf Konzerte gehen etwa. 

 

Vor allem aber macht Tanja, mittlerweile 27 Jahre, Sport. Bis zu acht Mal die Woche. Zwei Monate, nachdem sie mit dem Training für den Stadtlauf begonnen hatte, begeisterte eine Freundin sie so dermaßen für Triathlon, dass sie sich eine Sprintdistanz für das Folgejahr, also 2024, als Ziel setze.  

 

Aus einer (absolvierten) Sprintdistanz wurden zwei, hinzu kam noch eine Kurzdistanz. Dieses Jahr möchte Tanja gar eine Mitteldistanz schaffen. Und dies alles, obwohl sie durch die Wirbelsäulenversteifung nur eine Lungenfunktion von 65 Prozent hat. 

 

Aber davon lässt sie sich nicht abhalten. Ihr geht es nicht um Platzierungen oder Zeiten. Ihr geht es darum, etwas zu schaffen und damit vor allem sich zu helfen – und indirekt auch anderen, die ihre Geschichte inspirierend finden. 

Du hast auch eine tolle, spannende oder witzige Geschichte zu erzählen, wie du zum Triathlon gekommen bist? Oder Verletzungen/Krankheiten oder besondere Momente/Ereignisse haben dich erst recht angespornt, (weiter) aktiv zu sein? Dann schreibe uns eine E-Mail an medien@triathlondeutschland.de. Und vielleicht erscheint hier bald deine Geschichte.