Der Helfende

Philippe Geuer ist unser Triathlonheld des Monats August. Ein Gespräch über den Triathlon, seine Motivation und drei Monate im Koma.

Philippe Geuer
Ich merke, dass ich etwas bewegen und anderen Menschen helfen kann
Philippe Geuer

Philippe macht nicht nur Sport, um Sport zu machen. Er macht Sport auch, um anderen zu helfen. 2013 merkte der heute 46-Jährige selbst, wie wichtig Unterstützung ist. Im Training kollidierte er bei einer Geschwindigkeit von etwa 40 Stundenkilometern ungebremst mit einem Auto, das aus einem Feldweg auf die Landstraße einbiegen wollte. Philippe überlebte knapp und lag drei Monate im Koma.

Ich bin nach drei Monaten aufgewacht und konnte mich ab dem Aufprall an nichts mehr erinnern. Ich durfte mich nicht bewegen. Für jemanden, der zuvor jeden Tag Sport gemacht hat, ist das sehr hart. Ich habe in dieser Zeit fast 30 Kilogramm zugenommen.

Wie schwer war es, sich zurückzukämpfen?

Ich habe ein paar Monate nach dem Unfall vor einem Spiegel gestanden und gedacht: So geht das nicht weiter. Also habe ich mich dazu entschlossen, mir externe Hilfe zu holen, und bin in eine psychosomatische Klinik gegangen. Als ehemaliger Leistungsschwimmer begann ich dort, in einem zwölf Meter langen Reha-Schwimmbecken mit gefühlten 40 Grad Celsius Wassertemperatur wieder ein Gefühl für den Sport zu bekommen. Das Schwimmtraining hat mir geholfen, mich wieder aufzurappeln.

Dir hat jedoch ein Ziel gefehlt, das dich antreibt, dich zu bewegen.

Richtig. Dann habe ich eine Charity-Radtour gemacht, in drei Tagen von Hamburg nach London. Bei dieser Tour habe ich gemerkt: Ich brauche Ziele, die mich antreiben. Was in der ersten Zeit nach dem Unfall ganz wichtig war: Ich habe Hilfe von außen angenommen, zum Beispiel von einem Psychologen.

Das war einfach notwendig, um den Unfall zu verarbeiten.

Richtig. Ich habe aber auch gemerkt, dass auch ich anderen Menschen helfe. Mit jenen Spendenaktionen, die ich mache. Ich habe mich darin bestätigt gefühlt, hier weiterzumachen.

 

Philippe führte schon vor seinem schweren Unfall regelmäßig Charity-Aktionen durch, um Spenden für Menschen oder Organisationen zu sammeln. Die erste im Jahr 2000 für eine Kinderknochenmarkstiftung (Fanconi-Anämie). Es folgten diverse Ultramarathons, der Marathon des Sables und einige Ultralangstreckenschwimmen.

Diese Rennen, verbunden mit einer guten Aktion, machen mir sehr viel Spaß. Aber es steckt eben auch sehr, sehr viel Vorbereitung dahinter. Nicht nur die persönliche Vorbereitung auf das Rennen, sondern eben auch die um das Event herum. Es reicht nicht, zehn Firmen anzuschreiben und diese zehn Firmen unterstützen dich dann mit Spenden. Wenn ich 300 bis 400 Firmen anschreibe, kann ich hoffen, dass fünf antworten.

Was treibt dich an?

Ich merke, dass ich etwas bewegen und anderen Menschen helfen kann. Ich habe bei meiner eigenen Geschichte gemerkt: Klar, es gibt viele Situationen, in denen man sich selbst helfen kann. Es gibt aber auch Situationen, in denen man Hilfe von außen braucht.

Zuletzt hast du einen Spendenlauf in die Hochwasserregion in Rheinland-Pfalz unternommen.

Ich kannte die Gemeinde Schuld im Ahrtal durch Radtouren (Philippe ist gebürtiger Kölner, Anm. d. Red.), habe zudem Freunde dort. Mir ist die Frage nicht mehr aus den Kopf gegangen: Wie ist das, wenn man plötzlich nichts mehr hat? Ich konnte mir das nicht vorstellen, wollte aber nicht als Hochwassertourist hinreisen, um es mir anzusehen. Also habe ich einen Spendenlauf organisiert und bin von Freiburg aus die 360 Kilometer innerhalb von vier Tagen hingelaufen.

 

Philippe begann seine sportliche Laufbahn als Schwimmer. 1995 machte er dann seinen ersten Triathlon – eine Langdistanz auf Lanzarote. Er absolvierte damals gemeinsam mit einem Kumpel ein Trainingslager auf Lanzarote. Dort erfuhren sie zufällig von der Veranstaltung – und meldeten sich spontan an.

Wie lief deine Triathlonpremiere?

Es war etwas naiv, sich gleich eine Langdistanz rauszusuchen (lacht). Es hat beim Laufen auf jeden Fall ziemlich wehgetan.

Du hast insgesamt 14 Langdistanzen absolviert sowie weitere Ausdauerwettkämpfe wie den Marathon des Sables oder das Durchschwimmen des Ärmelkanals. Warum haben es dir die langen Strecken angetan?

Ich mag diese Herausforderung und bin einfach auch zu langsam für kurze Distanzen. Trotzdem habe ich bislang auch viele Rennen über kürzere Distanzen absolviert. Die größte Herausforderung war für mich damals, dass ich als Flugbegleiter gearbeitet habe. Nach einem 9-to-5-Job abends noch zu trainieren, ist deutlich einfacher, als wenn man nach 14 Stunden Arbeit irgendwo auf der Welt aus dem Flieger steigt.

Trotzdem gab es Phasen in deinem Leben, in denen du teilweise zwei Wettkämpfe an einem Wochenende absolviert hast. Triathlon war damals dein Lebensmittelpunkt, oder?

Ich habe Triathlon damals sehr intensiv betrieben, auch wenn es mir im Winter oft schwerer gefallen ist, mich für das Training zu motivieren. Der Unfall hat mich dann komplett aus dem Triathlonleben herausgerissen. Meine Motivation und mein Wunsch ist es, noch einmal den Triathlon auf Lanzarote zu machen, an dem ich bis zu meinem Unfall sechsmal teilgenommen habe. Vielleicht kann ich mir diesen Wunsch im nächsten oder übernächsten Jahr erfüllen.

Du hast auch eine tolle, spannende oder witzige Geschichte zu erzählen, wie du zum Triathlon gekommen bist? Oder Verletzungen/Krankheiten oder besondere Momente/Ereignisse haben dich erst recht angespornt, (weiter) aktiv zu sein? Dann schreibe uns eine E-Mail an medien@triathlondeutschland.de. Und vielleicht erscheint hier bald deine Geschichte.