„Machen meine Athleten Tempoläufe, kribbelt’s bei mir“

Steffen Justus ist Bundestrainer Sichtung der Deutschen Triathlon Union (DTU) und war zudem interimsweise bis Oktober 2020 Nachwuchstrainer am Bundesstützpunkt (BSP) Neubrandenburg. Der 37-Jährige hat uns erklärt, warum er verrückte Ziele braucht, manchmal nach dem Training seiner Athleten noch selber über die Bahn flitzt und wie er mit dem schnellen Wechseln der Betten klarkommt.

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Ich glaube auch, dass es für die Athlet*innen, die ich trainiere, motivierend ist, wenn sie sehen, dass es der „alte Mann“ noch kann
Steffen Justus
Ein Trainer zeigt eine Gruppe von Athlet*innen den Weg
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Steffen, du machst selbst noch viel Sport, hast dieses Jahr unter anderem den Ultramarathon beim Rennsteiglauf gewonnen und einen Marathon absolviert.

Das ist für mich persönlich auch wichtig – wenn zwischendurch noch genug Zeit bleibt. Früher habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht. Jetzt ist das Hobby wieder Hobby geworden. Es ist ein guter Ausgleich für mich. Ich muss mir dabei immer wieder verrückte Ziele setzen, wie etwa der Teilnahme beim Rennsteiglauf-Ultramarathon, weil ich mich ansonsten nach einem Tag mit vier Stunden in der Schwimmhalle und Radtrainingsbetreuung meiner Sportler nur schwer motivieren kann, selber auch nochmal Sport zu treiben.

Wenn deine Athleten beispielsweise ein Tempotraining auf der Bahn absolvieren, kribbelt es dann bei dir?

Dann kribbelt es. Es kann schon passieren, dass ich mich selbst danach auch auf die Bahn stelle und beispielsweise noch acht Mal 1000 Meter laufe.

Welche Bedeutung hat Sport für dich?

Ich mache Sport, seit ich denken kann. Deshalb versuche ich, schon zehn Stunden Bewegung die Woche hinzubekommen. Es ist auch für die Athleten cool, wenn der Trainer mal einen Dauerlauf mit ihnen macht. Ich merke, ich habe Sport immer leistungsorientiert betrieben und bin es daher gewohnt, mir immer wieder Ziele zu setzen. Vermutlich sind es sehr hohe Ziele dafür, dass ich eher spontan und unstrukturiert trainiere (lacht). Aber das kriegt man nicht raus, wenn man Sport immer mit Leidenschaft gemacht hat. Ich glaube auch, dass es für die Athleten, die ich trainiere, motivierend ist, wenn sie sehen, dass es der „alte Mann“ noch kann ;).

Einen Marathon in 2:21 Stunden zu laufen, ist ziemlich schnell für einen, wie du es nennst, „alten Mann“.

Joa, das passt schon. Das ist überraschend gut geworden für einen 37-Jährigen.

Dein Leben dreht sich seit Jahren beziehungsweise Jahrzehnten um Triathlon. Wolltest du nicht mal etwas anderes machen?

Ich bin 1998 erstmals in einen Kader der DTU gekommen und seitdem vom Verband immer unterstützt worden - auch wenn es mal nicht so lief. Nun kann ich dem Triathlonsport auch etwas zurückgeben. Ich habe als Athlet gemerkt - und merke es nun auch als Trainer -, dass ich den Sport liebe. Ich lebe das einfach. Mein Vater war Trainer mit Leib und Seele (unter anderem als Steffen Justus‘ Trainer und U23-Bundestrainer, Anm. d. Red.). Und jetzt bin ich Trainer. Ich eifere ihm nach.

Was fasziniert dich so am Triathlon?

Die Triathleten sind im positiven Sinn eine besondere Art von Menschen. Einfach eine coole Spezies. Ich kann mich damit extrem identifizieren.

Du bist Bundestrainer Sichtung. Kann man sich diese Aufgabe wie die eines Scouts‘ vorstellen?

Meine Aufgabe ist es unter anderem, die Sichtung von Nachwuchsathleten in den Landesverbänden zu begleiten. In jedem Landesverband findet zweimal im Jahr eine Sichtung statt. Bei den Terminen bin ich zum Großteil mit dabei, um die Athleten vom Schüler- bis Jugendbereich dort zu sehen. Die Athleten der Jugend B bekommen wir dann auf Bundesebene das erste Mal bei den Wettkämpfen des DTU-Jugendcups zu Gesicht. Da ist es schon gut, wenn man die Athleten vorher bei den Sichtungsveranstaltungen der Landesverbände schon mal beobachtet hat.

Seit vergangen Jahr haben wir in der DTU ein Talenttransferprojekt gestartet, bei welchen wir jungen, für den Triathlon talentierten Sportlern, nochmal die Chance geben wollen, sich in dem „schönsten Sport der Welt“ zu beweisen. Das kann man sich auch so als eine Art Scouting vorstellen.

Bist du mehr unterwegs oder mehr am Schreibtisch?

Es gibt Phasen, gerade im Frühjahr und Herbst, wenn die Sichtungstermine anstehen, in denen ich sehr viel unterwegs bin. Aber die Auswertung erfolgt dann natürlich am Schreibtisch.

Wie nutzt du die vielen Stunden, die du unterwegs bist?

Am Laptop (lacht). Ich versuche, die Zeit, wenn ich Zug fahre, so gut wie möglich zu nutzen. Es passiert auch schon mal, dass ich zehn Tage unterwegs bin, in acht verschiedenen Betten schlafe und sechs Tage in Zug oder Auto verbringe.

Behältst du da noch den Überblick, wo du gerade bist?

Rückblickend schon (lacht). Ich versuche, so strukturiert wie möglich vorzugehen, dann behalte ich den Überblick. Das ist mit die Herausforderung an dem Job. Es macht Spaß, wenn man etwas aus seiner Karriere zurückgeben kann. Ich bin von klein auf bis zum Trainer viele Facetten der DTU durchlaufen. Ich glaube ich habe viel, was ich weitergeben kann.

Ist der Job einfacher, wenn man selbst mal Weltklasse-Athlet war?

Mir fällt es einfacher, weil ich mich als Jugendlicher schon viel mit dem Sport und Training befasst habe. Ich denke da konnte ich schon vieles mitnehmen und kann es nun weitergeben.

Haben Athleten vor einem Trainer, der selbst als Sportler erfolgreich war, mehr Respekt?

Auf jeden Fall. Ich kann vieles, was ich den Athleten erzähle, mit Beispielen aus meiner eigenen Karriere unterlegen, dazu kann ich einige Geschichten erzählen. Das wird natürlich immer weniger, weil die Erfolge mit der Zeit auch immer weiter zurückliegen. Aber die Nachwuchsathleten befassen sich natürlich mit Triathlon, schauen zu einem auf, denken: Der war mal Profi, der muss also wissen, wovon er redet.

Was magst du an deiner Arbeit?

Sie ist extrem facettenreich. Ich nehme daraus viel für mich mit. Und ich finde es toll, Sportler voranzubringen. Dafür stelle ich mich gerne an den Rand der Laufbahn oder an den Beckenrand im Schwimmbad und stoppe Zeiten. Und ich mag die Herausforderung dabei. Der Job ist nicht nur damit getan, den Nachwuchs im Schwimmen, Radfahren und Laufen voranzubringen. Es gibt immer wieder andere Dinge, die dazukommen: Krankheiten, Verletzungen, Probleme zu Hause.