Thomas Moeller: "Ziel muss sein, dass so schnell wie möglich wieder Wettkämpfe für den Nachwuchs stattfinden"

Die derzeit besten deutschen Junioren und Juniorinnen kämpfen am Freitag in Kienbaum um die drei (Mädchen) beziehungsweise zwei (Jungs) Startplätze für die Junioren-EM in Kitzbühel (Österreich). Wir haben im Vorfeld mit Nachwuchs-Bundestrainer Thomas Moeller über die Folgen von Corona für die Nachwuchsarbeit, große Löcher und seine Hoffnungen auf einen guten Triathlonsommer gesprochen.

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Ich gehe davon aus, dass wir ab Mitte/Ende Juni wieder Wettkämpfe mit breiten Starterfeldern haben werden.
Thomas Moeller

Thomas, wie schwierig ist es in der derzeitigen Situation, einen geeigneten Ort für solch ein Qualifikationsrennen zu finden?

Nicht einfach. Die Schwierigkeit im Triathlon ist immer die Logistik. Wir brauchen eine gesperrte Laufstrecke, eine gesperrte Radstrecke und die Möglichkeit, im Freiwasser oder, da es in diesem Jahr lange sehr kalt war, im Hallenbad zu schwimmen. Und alles muss auch örtlich sehr nahe beieinander liegen. Kienbaum ist in der Hinsicht ein Glücksgriff für uns. Hinzukommt die Corona-Pandemie mit all ihren Schwierigkeiten und Vorgaben.

Hattest du in den vergangenen Wochen und Monaten Sorgen, die EM-Teilnehmer*innen nicht durch einen Wettkampf ermitteln zu können?

Nein. Ich habe sehr früh den Plan B mit Kienbaum entwickelt, falls der DTU-Jugendcup in Forst (war ursprünglich als EM-Qualifikationswettkampf geplant, Anm. d. Red.) ausfallen muss. Was dann ja auch so kam. Ich habe diesen Plan B sehr früh kommuniziert. Niemandem ist eine bessere Lösung eingefallen, was für das Konzept spricht.

Wie schwer ist die aktuelle Situation für junge Athlet*innen?

Das Schwierigste ist, dass derzeit keine Wettkämpfe stattfinden und dem einen oder anderen die Motivation für ein geordnetes Training fehlt. Es besteht die Gefahr, dass Athlet*innen in ein Loch fallen. Deshalb muss das große Ziel sein, dass so schnell wie möglich wieder Wettkämpfe stattfinden. Und das nicht nur für 20 Sportler*innen wie jetzt in Kienbaum, sondern für 180 oder 200 Athlet*innen, wie es etwa beim DTU-Jugendcuprennen in Forst geplant war.

Wir müssen nicht nur die Spitze, sondern auch die breite Masse erreichen. Für die Spitze, die Bundes- und Landeskaderathlet*innen, haben wir zum Großteil gute Trainingsbedingungen. Aber für Athlet*innen, die seit dem vergangenen Herbst nicht mehr schwimmen können, ist die derzeitige Situation natürlich eine Katastrophe.

Was bedeutet das für die sportliche Zukunft von solchen Athlet*innen?

Für sie wird es natürlich schwierig. Denn, das bestätigen mir auch die Landestrainer und die Trainer vor Ort, die Lücke zwischen den Spitzenathlet*innen und denen, die knapp dahinter waren, ist größer geworden. Dies kann natürlich zu Demotivation und im schlimmsten Fall zum Karriereende führen.

Lässt sich diese Lücke wieder schließen?

Aus meiner Sicht schon. Es gibt ja auch immer wieder junge Talente, die längere Zeit wegen Verletzung oder Krankheit ausfallen und sich dann wieder zurückkämpfen.

Wie optimistisch bist du mit Blick auf eine Saison im Jugendbereich 2021?

Ich bin positiv gestimmt. Ich gehe davon aus, dass wir ab Mitte/Ende Juni wieder Wettkämpfe mit breiten Starterfeldern haben werden. Wir werden von Juli bis September eine Saison haben, beispielsweise mit den Deutschen Nachwuchsmeisterschaften in Schongau Mitte Juli, dem DTU-Jugendcup in Jena am 5. September oder den Deutschen Meisterschaften im Duathlon am 19. September.

Dann hätten auch Athlet*innen, die sich in Kienbaum kein EM-Ticket sichern, oder gar nicht dabei sind, noch eine Chance auf einen Startplatz für die Junioren-WM.

Die Junioren-WM findet sehr spät statt. Wir werden definitiv nicht alles Tickets vor den Deutschen Meisterschaften vergeben, sodass es in Schongau pro Geschlecht noch um ein oder zwei WM-Startplätze geht.

Ist die derzeitige Situation für junge Athlet*innen schwieriger als für ältere Sportler*innen?

Ich denke schon. Ältere Athlet*innen sind routinierter. Für den Nachwuchs ist es schwierig, da viele junge Sportler*innen eines der so wichtigen Juniorenjahre verloren haben. Die Athlet*innen des Jahrgangs 2001 rücken in die U23 auf, ohne 2020 noch mal die Chance gehabt zu haben, sich international im Juniorenbereich zu messen. Und das letzte Junioren-Jahr ist für viele Sportler*innen das Jahr, in dem sich entscheidet, ob sie sich auf dem Weg zum Profi machen wollen und können - oder nicht.

Wir alle hoffen, dass es nun wieder aufwärts geht. Sollten wir die Pandemie bald überstanden haben und in ein paar Jahren darauf zurückblicken, werden wir dann eine Delle sehen, was Talente angeht?

Man muss zwei Dinge beachten. Was ihre individuelle Leistungsfähigkeit angeht, hat den Athlet*innen im vordersten Leistungsbereichen bzw. Kaderathlet*innen das vergangene Jahr nicht geschadet, weil es vielen gut getan hat, mal länger am Stück zu trainieren oder auch unterschiedliche Rennformate kennenzulernen bzw. die Zeit zu nutzen, um gezielt an Defiziten zu arbeiten. Die Frage, die aber noch keiner so genau beantworten kann, ist, was die Pandemie im Breitensport verursacht hat, ob uns da viele junge Athlet*innen weggebrochen sind.