"Weiß, dass es Menschen gibt, denen es viel schlechter geht"
Neele, du bist 2019 bei einer Sportveranstaltung, die du als Zuschauerin besucht hast, umgekippt, lagst drei Tage im Koma. Seitdem bist du halbseitig gelähmt, musstest Dinge wie Sprechen, Schlucken oder Laufen neu lernen. Wie bist du mit dem Schicksalsschlag umgegangen?
Ich habe versucht, nicht zu hadern. Ich hatte damals das Ziel, im folgenden Sommer meine erste Langdistanz zu absolvieren. Daran habe ich festgehalten, auch wenn mir niemand geglaubt hat, dass ich das schaffe. Für mich war es wichtig, ein Ziel zu haben. Und ich bin ein Sturkopf (lacht). Wenn ich irgendwo hinwill, komme ich auch dahin.
Ich hatte auch sehr gute Unterstützung aus meinem Umfeld. Es gab Leute, die haben mir über Wochen das Fahrrad gehalten und stabilisiert, bis ich wieder selbständig fahren konnte. Ohne diese Hilfe hätte ich es trotz meines puren Willens wohl nicht geschafft.
Hast du gezweifelt?
Nein. Ich bin jemand, der sich Ziele setzt und diese erreicht. Ich mache eigentlich schon immer Sport, auch sehr leistungsorientiert. Und ich wusste aus dem Sport, dass es Höhen und Tiefen geben wird. Das hat mir in den schwierigeren Phasen geholfen.
Du hast die Langdistanz in Glücksburg tatsächlich absolviert. War dies der härteste Tag in deinem Leben oder war es eher der Weg dahin beziehungsweise der Weg zurück in ein einigermaßen normales Leben?
Emotional war der Wettkampf der bis dahin anstrengendste Tag in meinem Leben. Denn ich wollte unbedingt dieses Rennen finishen. Körperlich anstrengender waren die ersten Tage meiner Reha, als es darum ging, fünf Meter zu laufen.
Klingt eigentlich verrückt, wenn fünf Meter anstrengender sind als ein Marathon.
Ja, für Außenstehende mag das manchmal sicherlich auch komisch wirken, dass ich ein Intervalltraining im Laufen absolviere (Neele benötigt tagsüber zur Unterstützung ein Exoskelett, Anm. d. Red.) und mich danach in den Rollstuhl setze, weil mein Körper so kaputt ist, dass ich erst einmal eine Pause benötige.
Aufgrund der Spastik macht dein Körper manchmal, was er will.
Dabei hätte ich gerne, dass er immer das macht, was mein Kopf will (lacht). Es gibt viele gute Tage und einige schlechte, die leider sehr willkürlich sind. Fällt ein schlechter Tag auf einen Wettkampftag, kann es passieren, dass ich gar nicht starten kann oder dass das Fortbewegen eine einzige Qual ist.
Ist es schwer, das zu akzeptieren?
Ich bin dann schon mal kurz ein bisschen quengelig. Aber es nutzt ja nichts, auch wenn ich es blöd finde. Ich weiß, dass es Menschen gibt, denen es viel schlechter geht.
Haderst du manchmal mit deinem Schicksal?
Es gibt manchmal Situationen, in denen ich wütend bin. Ich bin im Alltag auf die Bahn angewiesen. Wenn dann an einer Haltstelle ein Aufzug kaputt ist – ich kann lange Passagen von Treppenstufen nicht meistern – und ich zur nächsten Station muss, um einen Zug zu bekommen, dann ärgert mich das schon sehr.
Schauen wir auf deine sportlichen Ziele für 2024. Auf die Langdistanz-Premiere 2019 folgten die Paralympics als neues Ziel.
Ich bin eher durch Zufall zum Para Sport gekommen, eigentlich nur, weil ich von der Deutschen Triathlon Union eine Klassifizierung meiner Behinderung für die Starts in der Landesliga haben wollte. Ich war dann mal bei einem Lehrgang der Para Aktiven dabei und habe mich sofort super wohl gefühlt, weil es so eine tolle Gemeinschaft ist.
Und jetzt willst du gerne in Paris dabei sein.
Ich wäre schon enttäuscht, wenn die Qualifikation für Paris nicht klappt. In Paris dabei zu sein, ist ein Traum. Mein Leben ist schon ein bisschen darauf ausgerichtet.