"Wenn ich mich nur einen Zentimeter bewegt hätte, hätte ich querschnittgelähmt sein können"
Gab einige Momente, in denen ich dachte, es funktioniert nicht mehr
Jule, morgen (das Interview wurde am Montag geführt, Anm. d. Red.) geht`s nach China. Wie groß ist die Vorfreude?
Ich freue mich sehr, allerdings weniger auf den langen Flug (lacht).
So ein Trip nach China ist doch sicherlich spannend.
Lasse (Nygaard Priester, startet auch in Chengdu, Anm. d, Red.), mit dem ich zusammen fliege, hat mir schon erzählt, dass Chengdu nicht so schön sein soll.
Schön hingegen ist, dass du nach dem Zusammenprall mit einem auf die Gegenfahrbahn geratenen Auto, bei dem du dir unter anderem eine Fraktur des Kieferknochens und den Bruch eines Wirbels im Bereich der Brustwirbelsäule zugezogen hast, so schnell wieder gesund geworden bist. Chengdu ist bereits dein dritter Wettkampf in diesem Jahr. Wie zufrieden bist du mit den Comeback-Rennen?
Mit meinem Rennen beim Indoor-Weltcup Liévin war ich überhaupt nicht zufrieden. Beim Europacup in Quarteira war das Schwimmen nicht gut. Damit war das Rennen gelaufen, obwohl das Laufen dann gut war.
Hättest du das nach deinem schweren Unfall im vergangenen August gedacht, dass so schnell wieder Wettkämpfe möglich sind?
Auf keinen Fall. Die Ärzte haben damals gesagt, dass ich zwei Jahre keinen Triathlon mehr absolvieren kann. In der vergangenen Woche war ich für eine Nachuntersuchung dort. Die waren total verwundert, dass ich schon wieder Wettkämpfe bestreite.
Wie hart war es für dich, dass zu hören?
In dem Moment, kurz nach dem Unfall, war mir das relativ egal. In dem Moment habe ich ums Überleben gekämpft. Die Ärzte meinten, wenn ich mich nur einen Zentimeter im Bett bewege, könnte ich querschnittgelähmt sein.
Aber beim Schlafen bewegt man sich doch automatisch?
Ich hatte solche Schmerzen, ich habe eigentlich nicht geschlafen.
Wie war es für dich, über Wochen ans Bett gebunden zu sein?
Das war das Schlimmste. Es ist sehr schwer zu beschreiben, wie sich das angefühlt hat. Zum Glück hatte ich viele Leute um mich, die mich besucht haben, für mich da waren.
Wann war für dich klar, dass es einen Weg zurück in den Spitzensport gibt?
Ich wollte das von Anfang an, auch wenn die Ärzte am Anfang darüber gelacht haben. Ich habe nach rund zwei Monaten mit der Reha begonnen, jeden Tag fünf Stunden. Da habe ich gemerkt, dass es aufwärts geht, dass es sogar ziemlich schnell besser wird.
Ich konnte dann irgendwann wieder mit dem Joggen beginnen. Erst zwei Minuten. Dann fünf Minuten. Als ich das erste Mal mit Laura (Lindemann, Trainingspartnerin und Freundin, Anm. d. Red.) 20 Minuten am Stück gelaufen bin, war das emotional schon ein besonderer Moment für mich – auch wenn es anstrengend war (lacht).
War das auf emotionaler Ebene mit deinen großen Erfolgen im Juniorinnen-Bereich zu vergleichen?
Es war ganz anders. Bei dem EM- oder WM-Titel war große Freude da. Klar, beim Lauf-Wiedereinstieg habe ich mich auch gefreut. Aber es war natürlich auch mit der Hoffnung verbunden, irgendwann wieder richtig schnell laufen zu können.
Du bist sehr ehrgeizig. Wie wichtig war dein Ehrgeiz auf dem Weg zurück?
Es gab in den vergangenen Monaten einige Momente, in denen ich dachte, es funktioniert nicht mehr. Ohne meinen Ehrgeiz hätte ich es nicht so weit geschafft. Ich glaube, viele Menschen hätten aufgegeben und es nicht wieder zurückgeschafft. Aber das kam für mich nie in Frage.
Welche Ziele hast du für 2024?
2024 sehe ich als Übergangsjahr. Ich habe im November noch einmal eine Operation, danach werde ich einige Wochen nicht trainieren können. Wenn danach alles gut ist, werden die Ziele für 2025 sicherlich größer. Klar ist: Bei den Olympischen Spielen 2028 will ich auf jeden Fall dabei sein.