"Es ist ein komisches Gefühl, zu denken, ich bin jetzt die Beste der Welt"

Besser hätte die Saison für Jule Behrens (Landesverband Hessen) mit drei großen Titeln im Juniorenbereich nicht laufen können. Wir haben mit ihr über Nachhilfestunden, Tränen und ein wichtiges Gespräch während des WM-Rennens gesprochen.

Jule Behrens
Jule Behrens
Es war etwas Besonderes, da oben zu stehen, ein toller Moment. Ich konnte in diesem Moment die Tränen nicht unterdrücken. Aber das ist mir auch nicht peinlich.
Jule Behrens

Jule, wie bewegend war für dich die Siegerehrung nach dem Titelgewinn?

Es war etwas Besonderes, da oben zu stehen, ein toller Moment. Ich konnte in diesem Moment die Tränen nicht unterdrücken. Aber das ist mir auch nicht peinlich.

Das sollte es auch nicht. Sehr sympathisch fand ich auch, dass du beim Zielinterview auf Englisch einen Satz abgebrochen und neu begonnen hast, als du merktest, du kommst gerade nicht weiter. Es zeigt auch, dass Sportler*innen keine Maschinen sind.

Englisch muss ich noch ein bisschen üben (lacht). Ich war in den ersten Minuten nach dem Triumph ein bisschen überfordert. Dann kam auch noch das Interview. Ich war vor dem Rennen bei der WM-Pressekonferenz dabei. Davor habe ich mit Finja (Schierl, ebenfalls für die DTU in Quarteira am Start und gute Freundin von Jule. Finja studiert in den USA, Anm. d. Red.) schon ein bisschen Englisch geübt.

Finja hat dich nach deinem Sieg aus dem Zielraum getragen. Kamst du dir in diesem Moment vor wie eine Königin?

(lacht) Das vielleicht nicht. Aber es war schon toll, diesen Moment mit Finja zu teilen, wir kennen uns schließlich seit der fünften Klasse, haben unsere ersten Triathlonwettkämpfe zusammen gemacht. Wir haben vor der Saison gesagt, dass wir zusammen zu einer internationalen Meisterschaft wollen. Jetzt waren wir dieses Jahr zusammen bei der Junioren-EM und –WM. Das ist schon sehr schön.

Ihr habt bis Sommer dieses Jahres zusammen in Darmstadt trainiert. Nun trainiert Finja an einem College in den USA und du am Bundesstützpunkt in Potsdam. Ist es gewöhnungsbedürftig, euch nicht mehr so oft zu sehen?

Wir telefonieren öfter, haben bei der WM ein Zimmer geteilt. Das hat sich dann nach zu Hause angefühlt. Es ist natürlich schade, sich nicht mehr regelmäßig zu sehen und wir sind deswegen auch mal traurig. Aber wir wissen auch, jede geht ihren Weg - und das hoffentlich erfolgreich.

„Jule, du bist Weltmeisterin“. Ist dieser Satz schon bei dir angekommen?

Ich habe es noch nicht realisiert. Es ist ein komisches Gefühl, zu denken, ich bin jetzt die Beste der Welt. Dabei lief ja die ganze Saison ganz gut (lacht).

Du bist im Juniorenbereich Deutsche Meisterin, Europameisterin und Weltmeisterin geworden. Ist da ganz gut nicht ein bisschen untertrieben?

(lacht) Bis auf die Deutschen Meisterschaften der Elite in Berlin (Jule belegte Rang 19, Anm. d. Red.) liefen alle Rennen wie erhofft. In Berlin bin ich schlecht geschwommen und habe mich dann in der dritten Radgruppe wiedergefunden. Dann ist es schwierig, noch eine Top-Platzierung zu erzielen.

Ich habe vor der Saison nicht gedacht, dass ich so viel erreichen kann. Immerhin habe ich dieses Jahr auch Abitur geschrieben. Ich habe mir gesagt, ich muss auch zufrieden sein, wenn es erst gegen Ende der Saison sportlich läuft. Aber dann waren meine Ergebnisse schon im Frühjahr gut. Für mich ist mit dem EM-Start ein Traum in Erfüllung gegangen und dann bin ich auch noch Europameisterin geworden. Ich habe alle meine Erwartungen übertroffen.

Lass uns noch über das WM-Rennen an sich sprechen. Du hattest nach dem Schwimmen über 40 Sekunden Rückstand auf die Schnellsten.

Ich habe mich im Wasser gut gefühlt, war mir sicher, dass es für die zweite Radgruppe reicht. Als ich aus dem Wasser gekommen bin und den Rückstand mitbekommen habe, bin ich ein bisschen erschrocken. Ich habe versucht, das auszublenden und mich auf den Wechsel zu konzentrieren. Thomas (Moeller, Bundestrainer Nachwuchs der DTU, Anm. d. Red.) hat mir dann zugerufen, dass ich die Lücke nach vorne unbedingt schließen muss. Mir ist als letzter Athletin der Sprung in die zweite Radgruppe geglückt.

Du hast dann viel investiert. Unter anderem durch deinen Einsatz kam es zum Zusammenschluss der beiden Radgruppen. Anschließend hast du dich am Ende der großen Gruppe aufgehalten. Lag das an der Erschöpfung? Oder war es Taktik?

Ich habe gedacht, puh, das war jetzt ziemlich hart. Ich hatte anschließend zu kämpfen, der Ziehharmonikaeffekt hat es nach den vielen Kurven noch härter gemacht. Es war das härteste Radfahren, das ich bislang erlebt habe.

Wie hast du es geschafft, scheinbar mühelos nach vorne zu laufen?

Es liegt mir, nach einem harten Radfahren gut zu laufen. Ein paar Meter vor mir lief die EM-Dritte Maria Casals Mojica (wurde in Quarteira dann auch WM-Dritte, Anm. d. Red.). Ich habe versucht, sie einzuholen. Als ich das geschafft habe, hatten wir auch schon fast die Spitze erreicht. Ab dem Moment war es dann lockerer (lacht).

Dann hast du Oskar Tiex, deinem Trainer in Potsdam, gefragt, ob du schneller laufen sollst.

Ich habe an den Wendepunkten gemerkt, dass Tilda (Mansson, Zweite der EM und in Quarteira dann auch WM-Zweite, Anm. d. Red.) näher an unsere Gruppe herankommt. Dann haben wir entschieden, schneller zu laufen. Ich habe dann ein bisschen aufgedreht – und war überrascht, sofort alleine an der Spitze zu sein. Der Moment des Zieleinlaufes war dann einfach unbeschreiblich.

Du trainierst seit Sommer 2021 in Potsdam. Wie hast du dich eingelebt?

Es gefällt mir echt gut. Es war klar, dass ich mich bei ein paar Sachen umstellen muss. Aber das ist mir gut gelungen und es macht echt Spaß.

Gerade bist du noch in Darmstadt, genießt die Off-Season, bevor es in knapp zwei Wochen ins erste Trainingslager geht.

Ich freue mich schon sehr auf die kommende Saison, will erneut bei Junioren-EM und -WM dabei sein. Gerade aber genieße ich es sehr, Zeit für Freundinnen und andere Dinge zu haben. Ich war schließlich längere Zeit nicht mehr in Darmstadt.