„Ich wollte beweisen, dass solch eine Krankheit nicht das Ende ist"
Anfangs ist für mich eine Welt zusammengebrochen“, sagt Matthias und fügt an: „Ich habe mir da Horrorszenarien ausgemalt, die dann zum Glück so nicht eingetreten sind.
Als Matthias Häberle beim Ironman Frankfurt 2014 das Ziel erreicht, hat er, so erzählt er es später, ein „Wahnsinnserlebnis“ hinter sich. „Es waren Emotionen pur. Ich habe mir nicht erträumt, so gut durchzuhalten“, sagt der heute 49-Jährige. Man muss wissen: Matthias ist Dialysepatient. Am Tag vor und am Tag nach dem Rennen in Frankfurt war er jeweils zur Dialyse in einer Klinik.
Rund fünf Jahre zuvor ging es für ihn nicht darum, ob er nochmals eine Langdistanz – oder überhaupt einen Triathlon – absolvieren kann. Rund fünf Jahre zuvor ging es darum, ob er überlebt.
2009 kommt Matthias ins Krankenhaus. Er hat eine Lungenentzündung, leidet an einer Blutvergiftung. Sein Körper hat eine ihm transplantierte Spenderniere abgestoßen. Er wird eine Woche ins künstliche Koma versetzt. „Mein Leben stand damals auf der Kippe“, sagt Matthias.
Er überlebt. Auch – so erzählen es ihm die Ärzte – weil sein Körper durch den regelmäßigen Sport gewohnt ist, schwere Belastungen wegzustecken. Matthias ist zu diesem Zeitpunkt seit eineinhalb Jahrzehnten Triathlet.
In der ersten Hälfte jener eineinhalb Jahrzehnte kann er seinem Hobby mit Lust und Freude nachgehen. Seinen ersten Triathlon absolviert Matthias 1992. Als schlechter Schwimmer kommt er als einer der letzten Teilnehmer*innen aus dem Wasser. Er kämpft sich nach vorne, schafft ein Top-15-Ergebnis in der Gesamtwertung. „Das Interesse am Triathlon hat mich gleich gepackt“, sagt er.
In jener Endphase der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bringt er nicht nur die Triathlon-Abteilung des TV Memmingen (die er noch immer leitet) voran und gründete ein Geschäft. Er erlebt auch die Blütezeit seiner eigenen Karriere. An einer Qualifikation für den Ironman Hawaii scheitert er nur knapp.
Der Wendepunkt in seinem Leben ist ein Trainingslager im Jahr 2000 auf Mallorca. Nach der Rückkehr hat er Ödeme in den Beinen. Ein Arzt stellt eine Nierenschwäche fest. Sechs Jahre lang lässt sich diese mit Medikamenten behandeln, dann muss er zur Dialyse. Sport kann er weiterhintreiben. Nach 15 Monaten erhält er eine Nierenspende von seiner Mutter. Die Spenderniere ist seine nächste Hoffnung. Doch diese Hoffnung zerfällt schnell, nachdem sein Körper die Niere abstößt.
Matthias bleibt nur noch die Dialyse. Dreimal die Woche muss er seitdem für jeweils ca. fünf Stunden in eine Klinik. „Anfangs ist für mich eine Welt zusammengebrochen“, sagt Matthias und fügt an: „Ich habe mir da Horrorszenarien ausgemalt, die dann zum Glück so nicht eingetreten sind.“
Zwei Jahre nach jener Phase, in der sein Leben fast zu Ende war, beginnt er wieder mit Triathlon. Er entwickelt den Traum, als Dialysepatient eine Langdistanz zu absolvieren, recherchiert, dass dies bis zu jenem Zeitpunkt erst ein Mensch weltweit, ein US-Amerikaner, geschafft hat. Sein Wettkampf-Comeback 2011, eine Sprintdistanz, macht ihn „total happy“. 2013 finisht er eine Mitteldistanz, bekommt von seiner Frau und den Ärzten das Okay, sich auf die Langdistanz in Frankfurt im darauffolgenden Jahr vorzubereiten.
Er beendet den Wettkampf in Frankfurt in elf Stunden und 36 Minuten. „Ich wollte allen Dialyse-Patient*innen dieser Welt beweisen, dass so eine Krankheit nicht das Ende ist, zeigen, dass man noch viel erreichen kann“, sagt Matthias. Er ist keiner, der danach durch die Talkshows tingelte - Möglichkeiten dazu gab es. Matthias ist da lieber das stille Vorbild für andere.
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