Mein erster Triathlon (16): Stefan Kühn

Wie war das noch damals? Wie ging es los? In unserer Serie „Mein erster Triathlon“ erzählen Profisportler, Altersklassen-Athleten oder Menschen, die beruflich mit Triathlon zu tun haben, von ihren Anfängen im Ausdauerdreikampf. Heute: Hobby-Triathlet Stefan Kühn. Der 35-Jährige wäre bei seinem ersten Triathlon beinahe ertrunken. Heute startet er über die Mitteldistanz – und das Schwimmen zählt zu seinen Stärken.

Stefan Kühn 1
Stefan Kühn 2
Ich habe mich von den anderen Triathleten verrückt machen lassen. Statt in meinem Tempo zu schwimmen, habe ich versucht, sofort alles aus mir rauszuholen.
Stefan Kühn

Alles fing an im Herbst 2015. Mein Chef nahm regelmäßig an Triathlon-Wettkämpfen teil und stachelte mich an, es doch auch mal zu versuchen. Zu diesem Zeitpunkt war ich total außer Form, vor allem konditionell. Ich hatte mich die Jahre zuvor einfach gehen lassen. Das Gute war, dass die Saison zu dem Zeitpunkt schon zu Ende war. Ich konnte also den kompletten Winter nutzen, um mich auf meinen ersten Triathlon vorzubereiten. Das Fahrradfahren war ohnehin schon damals eine große Leidenschaft von mir, auch das Laufen war okay. Sorgen bereitete mir eigentlich nur das Schwimmen. Wobei ich dachte: Die paar hundert Meter kriege ich schon irgendwie hin.

"Als ich mit den anderen Triathleten meiner Startgruppe am Start im See stand, wurde mir bewusst, dass ich mich vielleicht doch etwas überschätzt hatte"

Ich bin regelmäßig zum Trainieren ins Schwimmbad gegangen. Dort habe ich ziemlich schnell gemerkt, dass das mit dem Schwimmen, insbesondere dem schellen Schwimmen, gar nicht mal so einfach ist. Also habe ich mich ziemlich ins Zeug gelegt, das Kraulen gelernt und zusätzlich zum Training der drei Disziplinen auch noch Krafttraining und Sabilisationsübungen gemacht. Den ganzen Winter lang. Im Frühjahr war ich dann so fit wie lange nicht mehr. Statt knapp 80 Kilogramm wog ich nun gute 70. Zudem nahm ich an einigen Volksläufen teil. Kurz gesagt: Ich fühlte mich bereit und blickte meinem ersten Triathlon hochmotiviert entgegen. Und ich muss sagen, dass meine Leidenschaft für diesen Sport seit meinem ersten Wettkampf, von Tag zu Tag größer geworden ist. Dabei wäre der erste Triathlon fast mein letzter geworden.

Mein erster Triathlon fand in Wolfsburg statt. Es war ein ausgesprochen warmer Juni-Tag. Für mich ging es um elf Uhr am Vormittag los. Es ging über die Sprintdistanz: 750 Meter Schwimmen, 25 Kilometer Fahrradfahren und 5 Kilometer laufen. Ich war total begeistert von der Location. Ein schöner See, eine riesengroße Wechselzone und viel mehr Menschen, als ich erwartet hätte. Doch als ich mit den anderen Triathleten meiner Startgruppe am Start im See stand, wurde mir bewusst, dass ich mich vielleicht doch etwas überschätzt hatte.

Ich hatte offenbar im Vorfeld eine ziemlich ambitionierte Schwimmzeit angegeben. Auf jeden Fall startete ich in der letzten Startwelle – mit den schnellsten Schwimmern. Die sahen alle super fit aus. Viele hatten Vereinswappen auf ihren Klamotten. Links und rechts von mir unterhielten sie sich über ihre angepeilten Zeiten. Meine war davon meilenweit entfernt. Ich fühlte mich ziemlich verloren.

"Ich wurde praktisch überrollt"

Ich traf eine impulsive Entscheidung. Ich dachte mir: Wenn die sowieso alle schneller sind als ich, will ich es ihnen zumindest nicht zu leichtmachen. Ich reihte mich ganz vorne ein, um nicht von Anfang an hinterher schwimmen zu müssen. Im Nachhinein war das wahrscheinlich nicht die beste Idee. Als das Rennen losging, legte ich los wie die Feuerwehr. Ich kraulte was das Zeug hielt. Mein Puls schoss hoch. Ich glaube meine Muskeln übersäuerten. Auf jeden Fall hatten mich die meisten anderen Triathleten schon nach knapp 50 Metern eingeholt. Doch statt an mir vorbei zu schwimmen, schwammen einige einfach über mich drüber. Ich wurde praktisch überrollt. Ich schluckte jede Menge Wasser. Panik überkam mich. Und dann ging ich unter.

Es dauerte bis ich wieder an der Oberfläche war. Ich japste nach Luft und musste mich erstmal beruhigen. Es vergingen weitere Sekunden. Ich atmete durch. Was war da gerade nur passiert? Ich spielte mit dem Gedanken zum nächsten Rettungsbot zu schwimmen, mich rausziehen zu lassen und das Rennen nach diesem Horror-Start einfach abzubrechen. Doch das tat ich nicht. Denn ich dachte an die vergangenen Monate, an all den Schweiß, den ich im Training vergossen hatte. Und so entschied ich mich dazu, auf die Zähne zu beißen. Ich machte weiter. Von da an schwamm ich dann allerdings Brust. Und ich schwamm mein Tempo.

Und trotz des Schocks, der mir noch immer in den Knochen steckte, lief es fortan deutlich besser. Immerhin kam ich nicht als letzter aus dem Wasser. Und meine Zeit auf dem Fahrrad muss ganz gut gewesen sein, immerhin habe ich noch einige Triathleten aus meiner Startwelle eingeholt. Beim Laufen hatte ich zwar Probleme, und war viel langsamer, als ich mir das vorgenommen hatte, aber ich schaffte es ins Ziel. Ich hatte es geschafft. Und ich war mega stolz auf mich.

"Heute weiß ich, dass ich damals beim Schwimmen sehr viel falsch gemacht habe"

Nur fünf Tage später stand mein zweiter Triathlon an. Ich startete in Magdeburg über die Sprintdistanz. Vielleicht war es gut, dass ich so schnell weitermachte. Natürlich machte ich mir vor dem Schwimmen jede Menge Gedanken und war vor dem Start ziemlich nervös. Und auch meine Frau machte sich ziemliche Sorgen. Schließlich hatte ich ihr vor dem Schwimmen meines ersten Triathlons noch großspurig erzählt, dass sie mich nach zehn Minuten aus dem Wasser kommen sehen würde. Andernfalls wäre ich sicherlich ertrunken, hatte ich scherzhaft zu ihr gesagt. Als ich dann nach rund 15 Minuten und ziemlich erschöpft aus dem See kam, ahnte sie schon, dass etwas vorgefallen sein musste. Aber sie ließ mich machen. Und so startete ich in Magdeburg. Und zum Glück lief beim Schwimmen dieses Mal alles glatt.

Auf Wolfsburg und Magdeburg folgten weitere Wettkämpfe. Erst auf der Olympischen Distanz, heute starte ich regelmäßig über die Mitteldistanz. Ironischerweise bin ich heute ein ziemlich guter Schwimmer. Und ich bin sehr froh, dass mich die schreckliche Erfahrung meines ersten Triathlons nicht von meiner Leidenschaft abgehalten hat. Warum ich damals weitergemacht habe, kann ich nicht erklären. Ich stelle es mir aber in etwa so vor, die Geburt eines Kindes. Eine Frau muss bei einer Geburt große Schmerzen und Anstrengungen aushalten. Und vielleicht flucht sie auch und wünscht sich, es wäre nie so weit gekommen. Aber sobald das Kind da ist, ist das alles vergessen. Freude und Glück überwiegen. Und ein paar Tage später will die Frau dann meistens schon das nächste Kind haben.

Ich jedenfalls bekomme trotz der schrecklichen Erfahrung meines ersten Triathlons einfach nicht genug. Und heute weiß ich auch, dass ich damals beim Schwimmen sehr viel falsch gemacht habe. Und damit meine ich nicht meine Kraultechnik. Ich habe mich von den anderen Triathleten verrückt machen lassen. Statt in meinem Tempo zu schwimmen, habe ich versucht, sofort alles aus mir rauszuholen. Das konnte ja nur schiefgehen. Denn im Becken hatte ich zwar recht ordentliche Zeiten hingelegt. Aber da kann man auch mal eine Pause machen und sich festhalten. Das ist im Freiwasser so nicht möglich. Jedem Anfänger kann ich daher nur empfehlen, auch mal im Freiwasser zu trainieren. Damit man ein Gespür dafür bekommt, wie sich das anfühlt. Ich jedenfalls musste mich erst mal daran gewöhnen. Aber heute will ich das Schwimmen nicht mehr missen.

Du hast auch eine tolle, spannende oder witzige Geschichte zu erzählen, wie du zum Triathlon gekommen bist? Oder Verletzungen/Krankheiten oder besondere Momente/Ereignisse haben dich erst recht angespornt, (weiter) aktiv zu sein? Dann schreibe uns eine E-Mail an medien@dtu-info.de. Und vielleicht erscheint hier bald deine Geschichte.