Sebastian Neef: "Ein typischer Wintersporttag war erst zu Ende, als es dunkel wurde"
Wenn andere dann im Frühling die Schnauze voll haben, bin ich immer noch motiviert dabei
Sebastian, bis zum vergangenen Wochenende warst du noch auf Lanzarote im Trainingslager, am kommenden Wochenende startest du nun bei den Weltmeisterschaften im Wintertriathlon in Andorra. Kleiner Kontrast, oder?
Ja, natürlich. Das war so auch nicht geplant. Für den WM-Start habe ich mich erst nach meinem zweiten Platz im Weltcup in Asagio Mitte Februar entschieden.
Die Platzierung hat dich überrascht?
Es war mein erster Wintertriathlon seit 2014. Ich hätte nicht gedacht, dass es so gut läuft. Hätte ich beim zweiten Wechsel nicht 30 Sekunden auf den siegreichen Russen Pavel Andreev (achtfacher Weltmeister, Anm. d. Red.) verloren, hätte ich sogar eine Chance auf den Sieg gehabt. Ich habe nicht langsam gewechselt, habe extra Schnellverschlüsse an den Schuhen angebracht. Aber Andreev war trotzdem deutlich schneller. Den Wechsel muss ich in den Tagen vor der WM definitiv noch mal üben.
Dann könnte ja ein noch besseres Ergebnis rausspringen.
Ich muss mich nicht verstecken. Ich war in Asiago im Laufen eine Minute schneller als Andreev. Auf dem Mountainbike hatten wir zu zweit vorne (Neef und der Italiener Franco Pesavento, Anm. d. Red.) keine Chance gegen die große Gruppe hinter uns. Wenn nun noch ein paar gute Läufer dabei sind, komme ich vielleicht mit einem Polster von 20, 30 Sekunden auf Andreev in die zweite Wechselzone. Dann könnte es etwas werden, dann könnte mir ein großer Coup gelingen.
Der Titel ist also das Ziel?
Das wäre cool. Das Podium ist das Minimalziel, der Sieg wäre toll.
Was fasziniert dich so am Wintertriathlon?
Mich faszinieren die drei Disziplinen und ich finde, sie sind ein toller Ausgleich im Winter. Der Stockeinsatz beim Skilanglaufen ist ein guter Ersatz fürs Schwimmen. Wenn ich kein Triathlet geworden wäre, wäre ich Langläufer geworden.
Wintersport im Allgemeinen gehört zu deinen Leidenschaften.
Ich bin nicht direkt in den Bergen aufgewachsen, aber in der Nähe des Bayrischen Waldes. Mein Vater hat mich schon als Kind immer mit in die Berge genommen, die Leidenschaft ist mir quasi in die Wiege gelegt worden. Ich bin der geborene Multisportler.
Jetzt lebst du im Allgäu.
Hier kann ich alle Sommer- und Wintersportarten ausüben. Das ist einfach traumhaft. Im Winter muss ich mich nicht stupide auf die Rolle setzen, sondern mache andere Sportarten. Wenn andere dann im Frühling die Schnauze voll haben, bin ich immer noch motiviert dabei.
Hast du neben Skifahren und Skilanglauf auch andere Wintersportarten gelernt?
Skitourengehen ist für mich auch ein tolles Ausdauertraining. Früher als Kinder sind wir mit meinem Vater immer mit der ersten Bergbahn hochgefahren. Als es dann auf den Pisten richtig voll wurde, haben wir in die Loipe gewechselt. Ein typischer Wintersporttag war erst zu Ende, als es dunkel wurde. So ein schöner Wintertag war ein tolles Naturerlebnis und natürlich eine tolle Grundsteinlegung für meine Ausdauer.
Lass uns mal noch über „normalen“ Triathlon sprechen. 2017 warst du Zweiter bei der Challenge Regensburg (8:10 Stunden, Anm. d. Red.) und zugleich Deutscher Vizemeister auf der Langdistanz.
Der Wettkampf war eigentlich meine erste richtige Langdistanz. Das Rennen im Vorjahr in Regensburg war eher nur zum Reinschnuppern. Da bin ich echt auf der letzten Rille ins Ziel gekommen. 2017 lief es dann super. Es war natürlich grandios bei meinem Heimrennen als Erster vom Rad zu steigen. Jan Raphael hat mich dann zwar noch überholt, aber als Quasi-Rookie war ich mit dem Ergebnis super happy.
Dann folgten schwierige Jahre.
2018 hatte ich einen schweren Radsturz, 2019 hat mich ein familiärer Schicksalsschlag zurückgeworfen, 2020 kam dann Corona. Ich habe seit dem starken Rennen in Regensburg 2017 nur eine Langdistanz bestritten. Das war 2018 in Roth. Da war ich aufgrund der Folgen des Radsturzes so weit von meiner Topform weg, da hätte ich gar nicht starten dürfen und musste dann auch aufgeben.
Immerhin hast du daraus etwas gelernt.
Ja, ich darf nur an der Startlinie stehen, wenn ich zu 110 Prozent fit bin. Ich habe gelernt, dass es verschiedene Säulen gibt, die als Voraussetzung erfüllt sein müssen: optimale Ernährung, optimales Material, optimales Training in der Vorbereitung. Wenn nur eines davon nicht passt, wird es ganz, ganz schwer. Denn als Profi geht es um mehr, als nur darum, ins Ziel zu kommen.
Ins Ziel würdest du gerne bald bei dem größten Langdistanzrennen überhaupt kommen.
Mein Ziel ist die Qualifikation für die Ironman-WM auf Hawaii.