Anabel Knoll: "War das glücklichste Mädchen auf dem Planeten"

Anabel Knoll ist mit einem vierten Platz beim Europacup in Caorle (Italien) in die Saison gestartet. Nun geht es für sie – wie für sieben andere deutsche Top-Athletinnen – am 26. Mai in Kienbaum um das zweite Olympiaticket neben der bereits qualifizierten Laura Lindemann. Wir haben mit Anabel darüber gesprochen, wie es ist, das glücklichste Mädchen auf dem Planeten zu sein, warum sie bei bestimmten Wettkämpfen Ausnahmen macht und was sie mit Sophia Saller verbindet.

Anabel Knoll
Wenn ich in einen Wettkampf mit dem Ziel gehe, eine bestimmte Platzierung zu erreichen, ist die Gefahr groß, dass ich anschließend enttäuscht bin.
Anabel Knoll

Anabel, wie fühlt es sich an, nach der langen Wettkampfpause im Winter nun wieder Rennen zu absolvieren?

Ich brauche immer erst einmal einen Probewettkampf, einen Wettbewerb, um reinzukommen. Ich bin vor dem ersten Rennen natürlich etwas aufgeregt, ein Wettkampf ist eben doch nicht dasselbe wie Training aber die Vorfreude überwiegt. Für mich war es auch gut, dass wir im April den DTU-Leistungstest hatten. Da wusste ich schon mal, wo ich stehe.

Du hast anschließend in den sozialen Medien davon geschrieben, du seist gerade das glücklichste Mädchen auf dem Planeten.

Ich war sehr glücklich, vor allem über meine Leistung im Laufen. Seit eineinhalb Jahren geht es hier richtig bergauf (vorher hatte sie unter anderem drei Ermüdungsbrüche, Anm. d. Red.). Jetzt werden nicht nur die anderen besser, sondern auch ich selbst. Es ist schön zu sehen, dass ich vorwärts komme. Es motiviert mich unglaublich.

Du bist eine Athletin, die sich im Wettkampf nicht vordergründig an ihren Platzierungen misst.

Mir ist es wichtig, dass ich nach dem Wettkampf sagen kann, dass ich alles gegeben habe. Die Platzierung an sich ist auch immer von der Konkurrenz oder dem Rennverlauf abhängig. Wenn ich in einen Wettkampf mit dem Ziel gehe, eine bestimmte Platzierung zu erreichen, ist die Gefahr groß, dass ich anschließend enttäuscht bin.

Nicht mal bei Deutschen Meisterschaften rückst du von diesem Credo ab?

Bei einer Deutschen Meisterschaft, bei der ein Ausnahmetalent wie Laura Lindemann dabei ist, geht es nicht nur unbedingt um den Titel. Natürlich will man vor allem bei einer Deutschen Meisterschaft aufs Podium. Aber wenn ich Vierte werde und mein Bestes gegeben habe, bin ich nicht unzufrieden.

Nun steht am 26. Mai in Kienbaum der interne deutsche Qualifikationswettkampf an, bei dem es um das zweite deutsche Ticket für Tokio geht. Gehst du da auch mit dem Credo rein, dass die Platzierung nur zweitrangig ist?

(lacht) Der Wettkampf ist natürlich eine Ausnahme. Ich weiß, dass ich in den vergangenen Jahren deutlich weniger trainieren konnte als viele Konkurrentinnen. Trotzdem werde ich mein Bestes geben, natürlich will auch ich das Ticket haben. Aber ich mache mir da nicht zu viel Druck.

Wenn ich nicht mit dem Ziel starte, dass ich gerne den Startplatz will, kann ich auch zu Hause bleiben. Jede von uns kann gewinnen. Es wird ein spannender Kampf um Sekunden, man darf sich keinen Fehler erlauben. Wenn man beim Schuhe anziehen in der Wechselzone fünf Sekunden zu lange braucht, hat man schon verloren.

Die Corona bedingte Verschiebung von Olympia, und damit auch des Qualifikationsrennens, war für dich sicherlich kein Nachteil.

Vergangenes Jahr wären meine Chancen wesentlich geringer gewesen. Jetzt weiß ich, wenn ich einen super Tag erwische, ist alles möglich.

Vermutlich ist dein Plan eher auf Olympia 2024 ausgerichtet.

Es war von Anfang an klar, dass Olympia 2024 mein großes Ziel ist. Dass sich nun, drei Jahre vorher, die Chance zur Qualifikation ergeben hat, ist natürlich super. Aber der Schwerpunkt liegt auf Olympia 2024. Ich habe in den vergangenen Jahren meinen Schwerpunkt doch sehr auf mein Studium gelegt. Ich war immer dabei, aber ich habe nie 100 Prozent dafür trainiert. Jetzt ist es andersherum, mein Fokus liegt auf dem Sport.

Wie bekommst du diese Doppelbelastung hin?

Durch Disziplin. Sophia Saller (ehemalige deutsche Spitzenathletin und Studentin in Oxford, Anm. d. Red.) hat mal gesagt: Ich brauche das Studium als Ausgleich für den Kopf. Ich sehe das auch so. Ansonsten würde ich verrückt werden (lacht). Ich brauche etwas zum Nachdenken. Ich strecke meinen Master (Anabel studiert Biodiversität und Ökologie, Anm. d. Red.) vermutlich um zwei Semester. Außerdem kann ich meine Kurse zum Glück sehr flexibel belegen und Corona ist hier eher hilfreich. Dadurch finden zumindest alle Vorlesungen online statt, was mir Fahrten zur Uni und zurück erspart.

Du hast Sophia Saller angesprochen. Holst du dir Tipps von ihr?

Ich kenne Sophia schon sehr lange. Sie ist eine Ausnahme. Wie sie das Studium durchgezogen hat und trotzdem sportlich so erfolgreich war, ist für mich faszinierend. Wir haben öfter Kontakt und tauschen uns aus.

Gibt es Tage, an denen du denkst: was habe ich mir da angetan mit der Doppelbelastung?

Auf jeden Fall. Da muss man dann versuchen, ruhig zu bleiben und sich neu zu ordnen. Mir hilft es sehr, mir vorab einen Plan zu machen und so Stresssituation zu vermeiden. Generell gehe ich es so an, dass ich lieber versuche, jeden Tag zwei Stunden etwas für die Uni zu machen – anstatt irgendwann unter Druck zu geraten und dann zehn Stunden an einem Tag etwas machen zu müssen.

Was möchtest du beruflich mal machen – natürlich nachdem du zweimal bei Olympia dabei warst?

(lacht) Hoffentlich. Ich würde gerne im Tier- und Naturschutz arbeiten, fände es toll an einem Forschungsprojekt für Luchse oder Wölfe im Nationalpark Bayrischen Wald zu arbeiten. Aber auch Insekten haben es mir angetan. Ich bin total offen was die Zukunft bringt und freue mich darauf zu sehen, was es am Ende wird.