„Sport hat mir geholfen, mit dem Schicksal fertig zu werden“

Elke van Engelen ist einer der deutschen Para-Triathleten, die sich für die Paralympischen Spiele im Sommer in Tokio qualifizieren möchte. Die 54-Jährige benötigt dafür noch Punkte. Mit dem Sammeln will sie am Samstag beim WPS-Rennen im australischen Devonport und die Woche darauf Weltcup in Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate) beginnen. Wir haben vorher mit ihr über ihren Wiedereinstieg in den Triathlonsport nach einem Schicksalsschlag, ihre Qualifikationschancen für Tokio und über fehlende Zeit zur Akklimatisierung gesprochen.

Para Triathletin mit amputiertem Bein beim Laufen
Para Triathletin mit amputiertem Beim beim Laufen
Ich dachte am Anfang an nichts Schlimmes. Weil ich kurz vorher einen Radsturz hatte und die Schwellung und die Schmerzen damit in Verbindung brachte. Dann ging alles so schnell. Plötzlich hieß es, der Unterschenkel muss amputiert werden. Der Gedanke an Sport war da erstmal ganz weit weg. Und an Triathlon erst recht
Elke van Engelen

Du landest erst am Donnerstag in Devonport, am Samstag ist dein Rennen. Es ist also zeitlich alles sehr knapp bemessen.

Für Akklimatisierung und Anpassung an die Zeitverschiebung ist keine Zeit. Damit muss ich eben zurechtkommen. Natürlich habe ich mir die Wettkampfstrecke angeschaut und werde sie auch noch testen können. Mehr Möglichkeiten sind für mich als Berufstätige einfach nicht.

Wie kommst du mit der Doppelbelastung klar?

Einfach machen! Training ist für mich wie ein Termin und so kann ich es gut in meinen Alltag einbetten. Ohne die Unterstützung meines Mannes würde das nicht klappen. Er ist auch Triathlet und hat dieses Jahr seine eigenen Ambitionen zurückgestellt. Er möchte noch mal bei der Ironman-WM auf Hawaii starten. Aber dieses Jahr unterstützt er mein Ziel. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.

Ihr trainiert sehr viel zusammen.

Das Training ist unsere gemeinsame Leidenschaft und bestimmt unseren Lebensstil. Es bedeutet uns sehr viel, den Sport gemeinsam auszuüben. Ich glaube, langfristig funktioniert es auch nur so. Huib kitzelt aus mir raus, was ich nicht dachte, das in mir steckt!

Nun bist du Elfte im Paralympic Qualification Ranking deiner Klasse. Die besten Neun bekommen ein Ticket.

Im Mai vergangenen Jahres habe ich meinen ersten internationalen Wettkampf bestritten. Mit keinem Gedanken habe ich über Tokio nachgedacht. Nach meinem dritten Platz bei der WM und dem Europameistertitel in meiner Klasse stand ich dann auf Platz 8 im Olympiaranking (Elkes Klasse PTS4 ist für Tokio nicht gelistet, deshalb kann sie sich nur in der leichter behinderten Klasse qualifizieren, Anm. d. Red.). Da ich im Oktober bei der Ironman-WM auf Hawaii gestartet bin, habe ich zwei Wettkämpfe verpasst und bin gleich auf Platz elf gerutscht. Das gilt es jetzt zurückzuerobern.

Du wärest in Tokio 55 Jahre alt. Bist du überrascht, in deinem Alter noch so leistungsfähig zu sein?

Es motiviert mich, das zu sehen. Wenn ich vier Jahre zurückblicke, hätte ich nicht erwartet, noch einmal so leistungsfähig zu sein. Es ist schön zu sehen, dass man sich selbst mit über 50 Jahren leistungsmäßig noch steigern und entwickeln kann.

Vor vier Jahren hattest du eine Tumordiagnose im oberen Sprunggelenk. Der Unterschenkel musste daraufhin amputiert werden.

Ich dachte am Anfang an nichts Schlimmes. Weil ich kurz vorher einen Radsturz hatte und die Schwellung und die Schmerzen damit in Verbindung brachte. Dann ging alles so schnell. Plötzlich hieß es, der Unterschenkel muss amputiert werden. Der Gedanke an Sport war da erstmal ganz weit weg. Und an Triathlon erst recht.

Es kam glücklicherweise anders.

Schon am Krankenbett habe ich mit Hilfe der Physiotherapeuten erste Übungen gemacht mit dem Gedanken, irgendwas geht immer. Sobald ich aus dem Bett durfte, war ich täglich im Krankenhausgym. Der Sport hat mir geholfen, schnell mit dem Schicksal fertig zu werden.

Wie schwer war der Weg zurück in den Sport?

Das war natürlich nicht einfach. Am Anfang musste ich lange üben, um wieder auf der Rolle fahren zu können. Das Aufsteigen war unglaublich schwierig. Das habe ich richtiggehend auf der Terrasse üben müssen. Oder weil es mit der Prothese und dem Pedal nicht passte. Da habe ich meinen Techniker bis an seine Grenzen gefordert (lacht).

War für dich klar, dass du in den Triathlon zurückkehren willst?

Zehn Tage nach meiner Entlassung war ich - noch im Rollstuhl - schon wieder an der Rennstrecke, um meinen Mann und mein Team anzufeuern. Da war mir schnell klar, dass ich auch selber wieder Triathlonsport machen will. Schon ein dreiviertel Jahr später bin ich dann im Trainingslager wieder den ersten Berg hochgefahren.

Und jetzt bist du im Para Triathlon in deiner Klasse auf dem Weg in die Weltspitze.

Das ist toll, oder? Für mich es eine großartige Erfahrung, auch heute noch besser zu werden. Akribisch an jedem Detail zu feilen, macht mir einfach Spaß. Mit Göran Blaschke, meinem Trainer, Andy Bullock, meinem Schwimmtrainer, und meinem Mann habe ich mein perfektes Team um mich herum.

Wie groß ist die Vorfreude auf die ersten Wettkämpfe?

Darauf freue ich mich total und bin sehr gespannt. Ich war noch nie so früh in der Saison richtig fit. Deshalb freue ich mich, jetzt das Rollentraining gegen mein Wettkampfrad tauschen zu können.

Du trainierst das Schwimmen mittlerweile auf Vermittlung von Para-Bundestrainer Tom Kosmehl in Essen beim nordrhein-westfälischen Landestrainer Andy Bullock.

Einmal in der Woche nehme ich den Weg auf mich und fahre nach Essen, um mit Andy trainieren zu können. „Du hast Potential“,ist dann das Motto! Und es ist den Aufwand wert! Nach jedem Training haben wir beide ein Lächeln auf dem Gesicht! In Devonport will ich nicht mehr als Letzte aus dem Wasser steigen.