"Martins Erfolge sind emotional auch etwas Besonderes für mich"

Anlässlich des 40-jährigen Verbandsjubiläums der Deutschen Triathlon Union (DTU) geben verschiedene Gesprächspartnerinnen und -partner in einer Interviewserie Einblicke in die Geschichte der DTU oder beleuchten wichtige Meilensteine.

Tom Kosmehl hat als Bundestrainer Para Triathlon für leistungsorientierte Strukturen im deutschen Para Triathlon gesorgt – und damit auch dafür, dass der Bereich in den vergangenen zehn Jahren seinen Anteil an den internationalen Erfolgen der DTU hat. Mit dem 45-Jährigen haben wir über einen Sprung ins kalte Wasser, Trainings-Weltmeister und die Entwicklungsschritte bis zum 50-jährigen Verbandsjubiläum gesprochen.

2022 Para-WM
Wir gehören zu den Top-5-Nationen, aber Länder wie Frankreich, die USA, Großbritannien oder Spanien sind in der Breite deutlich stärker.
Tom Kosmehl Trainer des Jahres
Tom Kosmehl beim Leistungssporttag 2020

Tom, wie verlief dein Weg zum Bundestrainer Para Triathlon?

Ich hatte eigentlich keine Berührung mit Para Triathlon, nur mit dem olympischen Triathlon. Ich war 1996 der erste Nachwuchs-Triathlet an der Sportschule in Potsdam, wobei meine eigene Karriere eher die Überschrift Trainings-Weltmeister verdient hat.

Ich bin dann am damaligen Landesstützpunkt (und heutigen Bundesstützpunkt, Anm. d. Red.) Trainer im olympischen Nachwuchsbereich geworden. Dann bekam ich Ende 2014 einen Anruf von Nadine (Rucktäschel, in der DTU Geschäftsstelle für Para Triathlon zuständig, Anm. d. Red.), ob ich nicht als Trainer für den Para Bereich zuständig sein möchte. 

Du mochtest - und bist Anfang 2015 gleich mit einem Lehrgang in die neue Aufgabe gestartet.

Das war schon ein Sprung ins kalte Wasser. Ich weiß noch, dass ich bei diesem Lehrgang in Cottbus Rumpfathletik-Training mit einem Medizinball angesetzt hatte. Da war dann ein Rollifahrer dabei, der keine Rumpfmuskulatur hatte und beim Fangen des Medizinballs einfach umgefallen ist. Oder Beinarbeit beim Schwimmen. Aktive, die nur eineinhalb Beine haben, tun sich da etwas schwer, vorwärtszukommen. 

Die ersten Wochen und Monate waren also ein Lernprozess?

Ja, natürlich. Ich habe gemerkt, ich muss mich umstellen im Vergleich zur Arbeit im olympischen Nachwuchsbereich. Die Wegzeiten zum Essen, zum Training et cetera sind auch länger mit Rollifahrern. So etwas muss man lernen, einzuplanen.

Außerdem waren die Bedingungen in Cottbus bei der Maßnahme zwar gewöhnungsbedürftig mit den tristen Plattenbauten drumherum, aber die infrastrukturellen Bedingungen der Stützpunkte in Ostdeutschland sind schon top, um sich voll auf den Sport fokussieren zu können.

Die Leidenschaft für den Job war bei dir schnell geweckt.

Definitiv. Positiv hat sich natürlich ausgewirkt, dass es mir schnell gelungen ist, die Strukturen im deutschen Para Triathlon zu professionalisieren. Und dann haben sich ja auch schnell die ersten Erfolge eingestellt, gerade durch Martin Schulz.

Es fällt auf, dass die beiden besten deutschen Aktiven der vergangenen Jahre mit Martin Schulz und Max Gelhaar Ostdeutsche sind. Ist das Zufall?

Zu einem bestimmten Prozentsatz ist das sicherlich Zufall. Es ist aber auch den Umständen geschuldet, dass die Strukturen in Leipzig so aufgebaut sind und Martin und Max schon als Jugendlichen den Zugang zum leistungsorientierten (Stützpunkt-)Training ermöglicht haben, während es in Westdeutschland eher über Vereins- als Stützpunktebene geht. Allerdings kann beides erfolgsversprechend verlaufen.

Deutschland hat bei den Paralympics in Paris drei Medaillen gewonnen. Ist Deutschland dadurch Weltklasse?

Wir gehören zu den Top-5-Nationen, aber Länder wie Frankreich, die USA, Großbritannien oder Spanien sind in der Breite deutlich stärker.

Ist dieser Rückstand bis in zehn Jahren, also zum 50. Verbandsjubiläum, aufholbar?

Nein.

Das ist eine deutliche Aussage.

Die Strukturen in Deutschland geben es nicht her, um bei den kommenden Spielen die doppelte Anzahl an Aktiven an den Start zu bringen und damit die doppelte Anzahl an Medaillen anzustreben.

Die Inklusion läuft zwar an, aber sie läuft schleppend an. Und der deutsche Sport lebt vom Ehrenamt. Wir haben aber immer weniger Ehrenamtliche. Da bringen mir alle professionellen Strukturen nichts, wenn an der Basis zu wenig Übungsleitende sind.

Man sieht aber an Einzelfällen, wie etwa Martin Schulz, was möglich ist und dass die Zusammenarbeit von FES, IAT und dem olympischen Bereich zu absoluten Spitzenleistungen führen kann.

Apropos Martin Schulz. Waren seine Erfolge deine größten Momente als Trainer?

Wir arbeiten schon sehr lange zusammen, er war schon bei meinem ersten Lehrgang, damals 2015 in Cottbus, dabei. Daher sind seine Erfolge natürlich emotional auch etwas Besonderes für mich. Vor allem der erste paralympische Titel von Martin in Rio 2016, aber auch die hart erkämpfte Bronzemedaille in Paris im vergangenen Jahr.