"Es ist ein Traum in Erfüllung gegangen"

22.07.2021 –  Thorsten Eisenhofer

Justus Nieschlag hat sich mit der Qualifikation für die Olympischen Spiele einen Traum erfüllt. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie er Olympia entgegenfiebert, warum er vor manchen Rennen friert, selbst wenn es 30 Grad Celsius hat, und was „Fit for Fun“ für ihn bedeutet.

Justus Nieschlag

Justus, ist mit der Olympia-Qualifikation ein Lebenstraum für dich in Erfüllung gegangen?

Da ist schon ein Traum in Erfüllung gegangen. Es ist eine Veranstaltung, die nur alle vier Jahre stattfindet, also eine Rarität. Ich denke es ist ein Traum, der vielen verwehrt bleibt, weil die Anzahl der Plätze begrenzt ist. Bei diesem Ereignis dabei sein zu dürfen, ist etwas, was mich stolz macht.

Ist auch stolz dabei, bei der Olympia-Premiere im Mixed Relay dabei zu sein?

Da eine Medaille zu holen, wäre etwas ganz Besonderes. Wir als deutsche Mannschaft haben es schon öfter erlebt, dass bei diesen Staffelrennen ein ganz anderer Spirit herrscht. Und wir haben als deutsche Mannschaft gezeigt, dass wir dabei über uns hinauswachsen können.

Du warst 2019 dabei, als Deutschland Silber bei EM und WM im Mixed Relay gewonnen hat. Denkst du da noch oft dran?

Ja, gerade in Vorbereitung auf das Olympia-Qualifikationsrennen in Kienbaum habe ich mir die Rennen häufiger in Erinnerung gerufen. Denn in Weert und in Hamburg habe ich gezeigt, dass ich es auf den ganz kurzen Strecken kann.

Du warst sowohl bei der EM in Weert, als auch bei der WM in Hamburg der vierte Athlet. Kannst du mit Druck besonders gut umgehen?

Es ist eine besondere Position, eine besondere Herausforderung, die ich bislang immer gut gemeistert habe. Je besser die anderen vorarbeiten, desto größer ist der Druck. Mischt man die ganze Zeit vorne mit und vergeigt es als letzter Athlet, ist das bitter. Dann reißt man ja drei Athlet*innen mit rein, die vorher super performt haben. Ich sage mir immer: je höher der Druck, desto besser ist die Leistung. Druck und Nervosität gehören für mich auch dazu.

Du bist also gerne der vierte Athlet?

Es ist ein besonderer Kick. Die Anspannung hilft mir, um mein volles Potential abzurufen. Es ist noch einmal eine andere Liga der Anspannung, wenn man auch die Verantwortung für drei andere Athlet*innen trägt. Entsprechend bin ich immer eine Spur nervöser. Da spielt die Herzfrequenz schon mal verrückt. Und bei mir ist immer ein Zeichen für maximale Anspannung, wenn ich zu zittern anfange, obwohl es draußen 30 Grad Celsius hat. Da weiß ich, der Körper zieht ordentlich am Gas und gleich geht es rund (lacht).

Wie verfolgt man das Rennen, wenn man als Letzter an der Reihe ist?

Es ist ein Kompromiss zwischen Aufwärmen und Rennen-im-Auge-behalten. Über die Betreuer bekommt man häufig mit, wie es gerade aussieht. Ab und an kann schon mal auf die Strecke linsen. Aber am Zaun stehen und anfeuern ist da nicht. Manchmal hat man das Glück, dass auf dem Aufwärmgelände ein Monitor steht.

Warum war Deutschland in den vergangenen Jahren oftmals so gut in Mixed-Relay-Rennen?

Wir hatten das Glück, dass die WM immer in Hamburg war und wir das Publikum auf unserer Seite hatten. Wir haben es in den Rennen auf jeden Fall immer geschafft, über uns hinauszuwachsen und abzuliefern. Wenn man ganz schlicht die Einzelergebnisse vergleicht, sind sicherlich andere Nationen besser als wir. Scheinbar haben wir da einen speziellen Teamspirit, der uns nach vorne trägt.

Du hast dir Ende Mai in Kienbaum dein Olympia-Ticket gesichert. Wie hast du die Tage nach dem Rennen erlebt?

Es waren turbulente Tage, ich wurde so ein bisschen überrollt von den Glückwünschen. Aber ich habe mich natürlich sehr über die vielen Gratulationen gefreut. Außerdem mussten die folgenden Wochen geplant werden. Wir hatten alles nur auf den einen Tag ausgelegt und mussten schauen, wie wir die Wochen bis Tokio gestalten.

Konntest du nach dem Wettkampf in Kienbaum auch ein bisschen durchschnaufen und die Zeit genießen?

Dan (Lorang, Justus‘ Trainer, Anm. d. Red.) hat mir die restliche Woche „Fit for fun“, wie er das nennt, in den Trainingsplan geschrieben. Ich konnte also frei entscheiden, was ich mache. Es war wichtig, den Kopf noch einmal freizubekommen.

Hat nach der erreichten Olympia-Qualifikation die Freude oder die Erleichterung überwogen?

Die Freude, dass es geklappt hat. Natürlich ist auch viel Druck von mir abgefallen.

Viele haben dich als Favoriten auf den zweiten deutschen Startplatz gesehen. Hast du von außen Druck gespürt oder dir mehr selbst Druck gemacht?

Ich wollte es natürlich selbst am meisten. Klar habe ich mitbekommen, dass ich als Favorit gehandelt werde. Ich habe versucht, dass nicht an mich heranzulassen. Der Druck war auch deshalb so hoch, weil die Strecken so kurz waren und klar war, dass jeder noch so kleiner Fehler ausschlaggebend sein kann. Ich werde auch in drei Jahren noch auf der Olympischen Distanz unterwegs sein und hoffe, dass ich mich 2024 erneut qualifizieren kann. Es bedeutet mir trotzdem sehr viel, es dieses Jahr schon geschafft zu haben.